Die letzte Chance - Final Jeopardy
Stadthaus an der Upper East Side erfolgt war, war die Frau unweigerlich eine Blondine.
»Komm rein«, rief ich und versuchte, möglichst fröhlich zu klingen, weil ich wußte, daß dieser Besuch untypisch überfällig war, schließlich war ich in den Tod eines Filmstars verwickelt.
»Gibt’s was Neues?«
»Nein, Mickey. Nichts, was sich zu berichten lohnte.«
»Ich meine, was Inoffizielles.« Natürlich. Für Mickey Diamond existierte das Wort »inoffiziell« nicht.
»Ich mach’ keine Witze. Ich hab’ wirklich nichts für dich.«
»Hast du die >Seite sechs< von heute schon gesehen?« fragte er - er meinte die Klatschkolumne der Post.
»Nee.« Ich gab es nur ungern zu, aber normalerweise kaufte ich mir das Blatt, weil es so viele Klatschgeschichten aus unserer Behörde enthielt. Seit ein paar Jahren las sich sogar der Lokalteil der Times, die sich früher zu fein dafür war, um über alle Sexualverbrechen der Stadt zu berichten, mehr und mehr wie die Boulevardpresse.
»Johnny Garelli ist wegen der Lascar-Ermittlungen in der Stadt. Er sagt, er sei gestern abend mit einer nicht identifizierten Blondine bei Rao’s gewesen. Vermutlich ein Starlet oder eine Nutte. Ich dachte, vielleicht weißt du, wer sie ist, und gibst mir ’nen Knüller. Chapman und Peterson müssen dich doch auf dem laufenden halten.«
Merkte er, daß ich rot wurde? »Bei diesem Fall bin ich außen vor, Mickey. Bloß eine Zeugin.«
Sein Mund verzog sich zu diesem verschmitzten Lächeln, das normalerweise seine Wirkung auf mich nicht verfehlte. »Ach, komm schon, es rührt sich ja gar nichts. Hast du denn nichts für mich?«
Bedauerlicherweise waren die Themen meiner Fälle das Hauptfutter für Diamonds Storys, jedes Fleckchen an den Wänden des winzigen Gerichtspressebüros war praktisch mit seinen Schlagzeilen bedeckt, die er stolz seine »Wand der Schande« nannte. Ich zählte die Geschichten, in denen ich ein Covergirl gewesen war, schon gar nicht mehr.
»Und nun raus mit dir, bevor dich Battaglia bei mir sieht und glaubt, ich hätte dir was gesteckt. Zisch ab.«
»Gib mir bloß einen Satz über den Mordfall, ein Zitat, das ich exklusiv bringen kann. Bitte!«
»Du tickst wohl nicht mehr richtig! Ich möchte meinen Job behalten, Mickey, wirklich.«
»Darf ich mir was aus den Fingern saugen, in der Art von wie unglücklich du dich wegen Isabella fühlst? Ich versprech’s dir, ich mach’s dezent.«
Ich nahm meine Kleenex-Box und warf sie nach ihm - schon sein Antrag machte mich lachen. In den letzten drei, vier Jahren war es häufiger vorgekommen, daß Diamond mir einige weise Aussprüche zugeschrieben hatte - in Anführungszeichen. Und das jedesmal, bevor ich - strenge Dienstvorschrift! - Battaglia auch nur um Erlaubnis bitten konnte, zu einem der Reporter über einen Fall oder ein Problem sprechen zu dürfen. Sogar der Bezirksstaatsanwalt hatte aufgehört, mich abzukanzeln, er wußte schließlich, daß es nicht meine Schuld war, sondern daß Mickey das Statement einfach erfunden hatte. Er versuchte immer, dabei das zu sagen, was ich seiner Meinung nach über ein bestimmtes Thema denken würde.
»Hey, du schuldest mir noch was. Mein Redakteur wollte, daß ich eine Story über dich und Jed Segal mache. Er hatte sogar schon ’ne Schlagzeile: >MISS STAATSANWALT BLEIBT UNGEKUSST<, aber ich hab’ mich geweigert -«
Blitzschnell war ich aus meinem Stuhl hochgefahren und lief zur Tür. »Ich werd’ dir deinen verdammten Hals brechen, wenn du an eine solche Story auch nur zu denken wagst.«
»Sachte, sachte«, sagte er und hob die Hände vor sein Gesicht, als ob er einen Schlag von mir abwehren wollte. »Sei doch nicht so empfindlich, ich hab’ ja nur einen Witz gemacht.« Er wich zurück, vorbei an Lauras Schreibtisch. »Die Lokalredaktion hat einen anonymen Tip bekommen. Hast du schon gehört, daß Garelli mal einen Kerl umgebracht hat, als er noch bei den Marines war? Ich meine, keinen Feind - einen seiner Kumpels. Hat ihn ins Koma geprügelt, wegen nichts und wieder nichts - der andere hatte ihn bloß beleidigt. Vier Monate später ist er in einem Militärkrankenhaus gestorben. Wir versuchen
gerade, das zu überprüfen, bevor die anderen es bringen. Was davon gehört?«
»Nein, kein Wort«, erwiderte ich und schüttelte verblüfft den Kopf. Das hatte mir Johnny nicht anvertraut, aber das war ja kaum überraschend.
Mickey verabschiedete sich mit einem letzten Versuch, zu einer Story zu kommen: »Ruf mich an, wenn du was
Weitere Kostenlose Bücher