Die letzte Chance - Final Jeopardy
Gefängnis verließ, eine ATM-Karte besorgt. Eine Geldautomatenkarte der Metro-Bank. Ich hab’ das heute vormittag vom Gefängnis erfahren. Ich hab’ die Bank angerufen und ihnen gesagt, sie sollen die Karte sperren, da ich mir dachte, er würde Geld holen, wenn er auf der Flucht ist. Er hat es bei drei Automaten probiert und erhielt überall die Auskunft >Karte ungültig<. Dann rief er vom gebührenfreien Telefon aus die Hotline der Bank an. Der Filialleiter sagte ihm, er solle nach Dienstschluß um halb fünf vorbeikommen, die Karte müsse wohl defekt sein. Der Manager rief bei mir an, und ein paar von unserem Team nahmen den Termin mit ihm wahr. Das Wort >Überraschung< bekommt eine neue Bedeutung.«
»Das ist ja phantastisch. Wo bist du jetzt?«
»Noch immer in der Bank. Hör zu, laß dir Zeit. Wir nehmen ihn erst mal mit aufs Revier und drehen ihn durch die Mangel.« Fotos, Fingerabdrücke, Handflächenabdrücke, Hintergrundinformationen. »Der Boß beauftragt gerade die Jungs, die Opfer anzurufen und für die Gegenüberstellungen abzuholen. Ich werd’ mich mal ganz nett und locker mit ihm unterhalten und hören, ob er mit meiner Lieblingsstaatsanwältin reden und ihr sagen will, warum er mit Frauen diesen Scheiß macht. Du fährst inzwischen heim, ruhst dich aus - das wird ein langer Abend werden - und kommst dann um sieben, halb acht rüber zum Revier. Ist das okay?«
»Klar. Ich fahr’ heim und zieh’ mich um, ich bin gleich da. Sag mir, was du noch brauchst.«
»Hast du jemanden, der einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung seiner Mutter ausstellen kann, während du bei uns oben bist? Wir wollen mal sehen, ob er dort seine Klamotten oder den Schmuck der Frauen hat.«
»Kein Problem. Ich kann das telefonisch durchgeben, wenn ich bei dir drüben bin. Steht alles im Computer im ECAB« -unserem Early Case Assessment Bureau, dem Vorermittlungsbüro, wo jeder, der Dienst hatte, mir bei dem abendlichen Papierkram helfen konnte. »Und noch etwas, Mercer. Kannst du deinen Boß im Zaum halten? Kein Spießrutenlaufen. Bitte, fleh ihn für mich an. Nicht bevor die Opfer die Chance haben, ihn bei der Gegenüberstellung zu identifizieren. Bring ihn mit einer Jacke über dem Kopf aufs Revier, ja?«
»Darauf kannst du wetten. Bis später.«
In Fällen wie diesem konnte die Publicity völlig außer Kontrolle geraten. Immer wieder zogen hohe Tiere von der Polizei ihre Show ab, indem sie einen Verdächtigen aus dem Streifenwagen holten, was dazu führte, daß das Gesicht des Angeklagten überall im Lokalfernsehen und in den Zeitungen zu sehen war. Für die Opfer, die das »Spießrutenlaufena sahen, bevor sie bei einer offiziellen Gegenüberstellung zugegen waren, bedeutete das oft, daß die Verteidiger die Richtigkeit der Identifikation in Frage stellten, dem Opfer wurde es so verwehrt, beim Prozeß den Angreifer zu identifizieren. Wir standen so dicht vor einem großartigen Erfolg, ich wollte nicht, daß es jetzt noch vermasselt würde.
Ich packte alles ein, was ich zur Leitung der Ermittlungen von Mercers Revier aus benötigen würde, hinterließ Laura eine Nachricht, daß ich am nächsten Morgen vielleicht später käme - je nachdem, wie lange ich heute nacht auf dem Revier bleiben mußte -, und rief Rose Malone an. »Ist Battaglia da?«
»Er ist in einer Besprechung, Alex. Der Strafrechtsberater des Gouverneurs ist bei ihm. Möchten Sie, daß ich ihn störe?«
»Aber nein. Ich wollte ihm bloß als erstem sagen, daß wir den Con-Ed-Vergewaltiger wohl haben. Sagen Sie ihm, ich ginge jetzt aufs Revier, um die Gegenüberstellungen vorzunehmen
und die Aussage aufzunehmen. Ich unterrichte ihn morgen vormittag ausführlich.«
»Meinen Glückwunsch, Alex. Darüber wird er sich wirklich freuen. Ich setz’ Sie gleich zum Lunch in seinen Terminkalender. Ich bin sicher, daß er alle Einzelheiten erfahren will.«
»Danke, Rose.« Hoffentlich war ich rechtzeitig zum Lunch wieder hier. Bis wir alle Zeuginnen beisammen hatten und das Videoteam im Morddezernat war, das konnte die ganze Nacht dauern.
Mein letzter Anruf galt den Videotechnikern. Früher hatten die Beamten Aussagen oder Geständnisse von Verdächtigen in Strafprozessen in ihren Notizbüchern festgehalten. Dann arbeitete unsere Behörde mehrere Jahrzehnte lang mit Stenographen, die uns auf Abruf begleiteten und die Fragen und Antworten einer Vernehmung im genauen Wortlaut niederschrieben, damit sie vor den Geschworenen bei einem Prozeß verlesen werden
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