Die letzte Chance - Final Jeopardy
Boxhiebe in den Bauch verpaßt hätten; aber dank Mercer bewahrte ihn das Video davor.
Ich war verärgert und niedergeschlagen. Ich hatte gedacht, wir seien einem Geständnis in dieser Vergewaltigungsserie ganz nahe. Es war zwar für ein Strafverfahren nicht von entscheidender Bedeutung, sondern in diesem speziellen Fall bloß eine Dreingabe, aber ich wollte hören, was der Vergewaltiger empfunden hatte, als er anderen Menschen diese verabscheuungswürdigen Dinge angetan hatte.
Während ich auf dem schmutzigen Korridor auf und ab ging, fragte ich mich, ob es an meiner Vorgehensweise gelegen hatte, daß er ausgerastet war. Manchmal reden diese Typen mit Männern, aber nicht mit Frauen. Ich hätte mich dafür ohrfeigen können, daß ich keinen meiner männlichen Kollegen aus meiner Abteilung als Ersatzmann dabei hatte, der die Vernehmung hätte fortführen können, falls der Verdächtige mir gegenüber den Mund hielt. Ich wußte, Mercer würde mir sagen, ich solle es nicht persönlich nehmen, aber genau das tat ich, wenn so etwas geschah.
»Hey, Coop, nimm’s nicht persönlich«, sagte Mercer wie aufs Stichwort, als er ein paar Minuten später den Kopf aus dem Zimmer steckte. »Montvale hatte das sowieso vor. Er wollte dir genausowenig eine Story fürs Videoband erzählen, wie ich ihn zu einem Hummeressen einladen würde. Er hatte einfach Lust, mit dir zu spielen - eine kleine Abwechslung für ihn -, allerdings die letzte für sehr lange Zeit.«
Er trat zur Seite, als zwei seiner Teamkollegen den gefesselten Häftling aus dem Büro des Sergeants zu seiner Holzbank zurückführten. Montvale lachte auf dem ganzen Weg den Gang hinunter lauthals, und ich hatte große Mühe, meinen Mund zu
halten, aber letztlich wollte ich nicht, daß meine Bemerkungen von irgendeinem Richter wiederholt würden, vor dem wir morgen früh stehen würden.
Mercer hatte keine Zeit, sich wegen meiner Enttäuschung und meines verletzten Egos aufzuhalten. »Hör auf, dir selber leid zu tun, Alex. Du hast doch alles bekommen, was du brauchst, plus dem, was wir aufgrund des Durchsuchungsbefehls noch kriegen werden. Hast du wirklich geglaubt, daß ein Kerl, der wegen so vieler Kapitalverbrechen verurteilt wurde und so viele Jahre im Knast abgesessen hat, sich hier hinsetzen und dir von seinen Abenteuern erzählt? Du hast einen hieb- und stichfesten Fallwas brauchst du mehr? Und jetzt troll dich und geh schlafen. Ich werd’ mich gleich um den Durchsuchungsbefehl kümmern, morgen am frühen Nachmittag verlesen wir die Anklage, und dann kannst du für nächste Woche die Termine mit der Grand Jury festlegen.«
So high mich das Adrenalin und das Koffein gemacht hatten, so rasch klappte ich zusammen, als Montvale alldem ein abruptes Ende bereitet hatte.
»Ich hasse es, wenn sie mich schlagen«, begehrte ich noch einmal auf.
»Dich? Wie lange, glaubst du, wird dieser Typ in Dannemora bleiben? Hundert, hundertfünfzig Jahre? Reicht das, oder willst du noch mehr?« fragte Mercer mich.
»Ich werde dreimal lebenslänglich hintereinander beantragen. Ohne Straferlaß.«
»Unwahrscheinlich, daß jemand Mr. Montvale noch einmal vorzeitig entlassen wird. Ich wette, sie haben schon die Leitartikel für die Morgenblätter geschrieben. Laß gut sein.«
»Ich glaub’, ich mach’ Feierabend«, sagte ich. »Brauchst du noch was von mir heute nacht? Ich würde gern raus hier, bevor die Pressekonferenz losgeht. Battaglia wird mir niemals glauben, daß ich versucht habe, sie ihnen auszureden. Puh, diese Typen sind einfach stur.«
»Ich komm’ schon klar. Soll ich mal unten anfragen, ob sie jemanden freistellen können, der dich heimbringt?«
Ich sah auf die Uhr. »Nein, es ist noch nicht mal halb elf. Falls jemand frei ist, schnapp’ ich mir ihn. Falls nicht, kann ich
gleich an der Columbus Avenue ein Taxi bekommen. Es ist ja noch früh.«
»Willst du telefonieren? Dich ein wenig verschnaufen? Du kannst ins Büro des Sergeants gehen - da bist du ganz für dich.«
»Mercer, ich fahr’ direkt nach Hause. Kein Spielsalon unterwegs, um auf die schnelle zweihundert Dollar zu kassieren. Auf direktem Weg heim. Ich ruf’ von dort aus an. Ich bin wie erschlagen.«
»Danke, daß du gekommen bist. Ich komme in dein Büro, gleich nachdem wir die Wohnung seiner Mutter durchsucht haben.«
Mercer nahm seine Akte, begleitete mich bis zum Treppenhaus und hielt mir die Tür auf, als ich hinausging. Die meisten von den Jungs waren zu sehr damit beschäftigt, ihre
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