Die letzte Chance - Final Jeopardy
warteten, daß uns die kesse Pilotin von Cape Air mit dem Sechs-Uhr-Flieger nach Logan brachte. Es war fast windstill, so daß Mike den kurzen Flug nach Boston diesmal gut überstand.
Ich ging vor ihm zum Terminal für den Anschlußflug, als ich ihn rufen hörte, ich solle stehenbleiben. Er stand da, starrte auf den Fernsehbildschirm an der Flughafenbar und winkte mich aufgeregt zu sich.
»He, Coop, ist das denn zu fassen! Jeopardy muß hier früher laufen als in New York. Komm doch mal her- sie sind gerade bei der Final-Jeopardy-Frage.«
Ich kam mir vor wie eine Mutter, die mit einem fünfjährigen Kind zankt, als ich ärgerlich den Kopf schüttelte und ihm zurief: »Nein, Mike. Los, komm - wir wollen doch nicht die Sieben-Uhr-Maschine verpassen.«
»Jetzt warte doch. Wozu diese Eile? In einer halben Stunde geht doch noch eine Maschine. Diesmal geht’s um die Oscars. Was meinst du, Blondie? Ich wette mit dir um 25 Dollar.«
Mike und ich waren süchtig nach Jeopardy, obwohl ich nur selten rechtzeitig zu Hause war, um mir die Sieben-Uhr-Show anzusehen. Es gab einige Themen, bei denen ich nie mit ihm wetten würde - etwa die Bibel -, weil er mich jedesmal besiegte. Und ich hatte ein paar Spezialgebiete, von denen er die Finger ließ. Aber normalerweise gingen unsere zehn Dollars von Woche zu Woche hin und her, während wir einander bei unseren bekannten Schwachstellen provozierten, so daß der Einsatz beträchtlich in die Höhe gehen konnte. Mercer Wallace schwor, die schlimmste Zeit, in Manhattan ermordet zu werden, sei zwischen 18.55 Uhr und 19.30 Uhr. Er hatte einmal erlebt, wie Chapman mitten im Juli in einer stickigen Mietskaserne stand, drei Leichen am Tatort um ihn herum, und Alex Trebek zuhörte, der die Fragen in den Runden von Jeopardy und Double Jeopardy stellte, und dabei wie aus der Pistole geschossen die Antworten gab, während der Leichenbeschauer die Leichen stumm nach Tathinweisen untersuchte.
Ich drehte mich um und griff nach meiner Brieftasche - beim Thema Film kannten wir uns beide gut aus. »Es wird dich mindestens
fünfzig kosten, wenn du mich zum Bleiben nötigst.« Mir war klar, daß er in den nächsten drei Minuten von hier nicht wegzubewegen war, darum legte ich mein Geld auf den Tresen und forderte Mike auf, das gleiche zu tun.
Er zog eine 20-Dollar-Note heraus, bestellte uns beiden einen Drink und wandte sich mir mit einem verlegenen Grinsen zu. »Ich hab’ nur noch zwanzig Mäuse - ich muß mir im Revier meinen Gehaltsscheck abholen, sobald wir da sind. Vertraust du mir?«
Ich nickte, während Trebek die Final-Jeopardy-Antwort verkündete: die einzigen beiden Filmschauspieler, die jemals den Oscar in aufeinanderfolgenden Jahren bekommen hätten.
Mike und ich schlugen gleichzeitig mit der Hand auf den hölzernen Bartresen, als ob wir wie die Quizteilnehmer im Fernsehen auf den Summer drücken würden.
»Tom Hanks und Gary Cooper.«
»Falsch. Lös lieber deinen Scheck gleich heute abend ein, Chapman.«
»Was heißt hier falsch? Wer denn?«
»Tom Hanks und Spencer Tracy. Philadelphia und Forrest Gump, Manuel und Teufelskerle.«
»Was ist mit Gary Cooper? Zwölf Uhr mittags und Der große Wurf?«
»Da liegst du total daneben. Diese Filme sind in einem Abstand von etwa zehn Jahren rausgekommen. Im übrigen hat er nie einen Oscar für Der große Wurf bekommen.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich glaub’s einfach nicht. Er war doch phantastisch in diesem Streifen. Er war unglaub -«
»Genieß deinen Cocktail, Mike, denn du zahlst.« Alex Trebek verkündete ihm die traurige Nachricht, wir tranken unsere Drinks aus und schafften in letzter Sekunde die Maschine um 19.30 Uhr.
Als wir in meiner Wohnung ankamen, war es bereits nach neun Uhr, und ich bot Mike ein weiteres Fast-Food-Essen bei mir zu Hause an. Er lehnte ab und erklärte, er sei noch verabredet, und es gelang mir nicht, ihm irgend etwas über sie zu entlocken.
Ich starrte auf den blauweißen Streifenwagen vor meinem Wohnhaus und drehte mich zu Mike um. »Könntest du mir noch bei einer Sache helfen?«
»Klar - wobei denn?«
»Wenn ich Battaglia am Montag sehe, will ich ihn darum bitten, meine Babysitter abzuziehen. Ich war doch gar nicht das Ziel, Mike. Wer auch immer es getan hat, wollte Isabella Lascar ermorden, das ist doch jetzt ziemlich klar, oder?«
»Ja, ja, ich bin sicher, daß du recht hast. Es war mitten in der Woche, und wie du schon gesagt hast, jeder konnte leicht herausfinden, daß du
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