Die letzte Chance - Final Jeopardy
einem Luftreiniger, den’s in verschiedenen Duftnoten gibt. Man konnte sie an Holzoberflächen ankleben. Philip Boynton, ein Serienvergewaltiger, den ich im letzten Frühjahr unter Anklage gestellt hatte, hatte beschlossen, sich vom Tag seiner Verhaftung an bis zum Prozeß nicht mehr zu duschen. Sein Gestank war so überwältigend, daß keiner der Gerichtsbeamten Callahans Angeklagten übernehmen wollte. Ich brachte jeden Tag die Stick-Ups ins Gericht mit, und wir bedeckten die Unterseite des Angeklagtenstuhls und des Anwaltstisches mit grüner Minze, Pfefferminze und Immergrün, um dem Personal das Leben erträglich zu machen. Der Bodega-Mann gehörte zur gleichen Kategorie, also übergab ich Laura meinen Geheimvorrat, damit sie ihn an Alan weiterreichen konnte.
Als Laura gegangen war, nahm ich mir die Anrufe vor und begann mit Shaniqua Simmons’ Nachricht. Es war zwar üblich, daß Opfer von Mißbrauch im häuslichen Bereich trotz anfänglicher Anzeige Termine absagten, aber ich kümmerte mich immer darum, denn es war nicht auszuschließen, daß sie wegen des Treffens mit einem Vertreter der Anklagebehörde bedroht oder erneut schikaniert worden waren. Ich vernahm zweimal das
Freizeichen, dann schaltete sich ein Anrufbeantworter mit einer Ansage ein: »Hi, hier ist Shaniqua«, ertönte eine höchst muntere Stimme. »Ich und Nelson könn’ grad nich ans Telefon gehn, weil wir was zu erledigen ham.« Die überaus passende Hintergrundmusik stammte von dem unsterblichen Marvin Gaye, der Shaniqua empfahl, dies sei die richtige Zeit für sex-u-elle Heilung.
Ich versuchte das positiv zu sehen. Immerhin hatte ich so eine Stunde Zeit gewonnen, um Manzis Opfer unverzüglich vernehmen zu können.
Ich hatte genug zu tun, bis kurz nach zehn die Studentin eintraf. Laura meldete sich über die Sprechanlage: »Beverly Vaughan ist hier - die Zeugin in Jackie Manzis Fall.«
»Gut. Bitte bereiten Sie mir einen Fragebogen vor, ich hole sie gleich ab.«
Laura überreichte mir den Fragebogen, ein vorgedrucktes Formular, in das wir alle Personalien und Daten einer Vernehmung eintragen. Ich stellte mich Miss Vaughan vor und erklärte ihr das Verfahren, das vor uns lag.
»Ich muß Ihnen eine ganze Menge Fragen stellen, aber bevor ich damit anfange - gibt es irgendwas, was Sie mich fragen möchten?«
»Ja, Miss Cooper. Ich möchte wissen, warum Steven gestern nacht nicht verhaftet worden ist. Die Polizei weiß doch genau, wer er ist - sie haben letzte Nacht sogar mit ihm gesprochen. Ich möchte wissen, warum er nicht im Gefängnis ist.«
»Soviel ich weiß, Beverly, haben Sie Detective Manzi ein paar Fragen nicht beantworten können und sich an ein paar Dinge über diesen Samstag abend nicht erinnert. Sie haben den Beamten gesagt, sie >glauben<, vergewaltigt worden zu sein, aber Sie seien sich nicht sicher...«
»Na ja, ich kann mich zwar nicht genau an alles erinnern, was passiert ist, aber ich weiß, daß mir Gewalt angetan wurde.«
»Steven hat eine ganz andere Geschichte erzählt als Sie. Und bevor wir jemanden wegen Vergewaltigung ersten Grades einsperren, gehen wir allen Details nach und versuchen, die Ereignisse zu rekonstruieren. Falls Steven wirklich ein Verbrechen begangen hat, wird er verhaftet und angeklagt werden.
Am besten entspannen Sie sich erst mal, versuchen Sie, all meine Fragen so offen wie möglich zu beantworten und Verständnis dafür zu haben, daß ich genausoviel über Sie wissen muß, wie Steven weiß - alles, was er seinem Anwalt über dieses Treffen am Samstag sagen wird.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, Beverly, daß Ihr Fall anders ist als ein Fall, bei dem ein Mann durch ein Fenster einsteigt oder eine Frau von einer U-Bahnstation aus verfolgt und einen Menschen überfällt, den er zuvor noch nie gesehen hat. Ihr Fall kann in jeder Hinsicht genauso ernst sein, aber er ist anders. In den genannten Situationen sind die beiden nur so lange zusammen, wie die Vergewaltigung dauert - aber der Täter weiß nichts über sein Opfer, sie hat sich ihm nicht anvertraut, sie hat ihm nicht vertraut, wie dies bei einer Verabredung mit einem Freund der Fall ist. Verstehen Sie?«
»Sicher. Aber das heißt doch nicht, daß ich nicht vergewaltigt worden bin, oder?«
»Nein, aber das heißt, daß Steven viel mehr über Sie weiß als ich, Dinge, die er vielleicht gegen Sie verwenden kann. Ich kann also meine Fragen nicht auf den Zeitpunkt an dem Abend beschränken, an dem Sie mit ihm auf sein Zimmer
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