Die letzte Chance - Final Jeopardy
gegangen sind - ich muß mit dem anfangen, was euch zunächst zusammengebracht hat, was Sie ihm über sich selbst erzählt haben, ob es im Laufe des Abends irgendein Vorspiel gegeben hat, ob es irgendein Gespräch über Sex gegeben hat. Und vor allem muß ich wissen, warum Sie sich an die Ereignisse nur so unklar erinnern - ist es wegen des Traumas oder wegen der Alkoholmenge?«
»O Gott. Das wird nicht leicht werden, nicht wahr?«
»Nein, Beverly, es wird nicht leicht werden. Es steht zuviel auf dem Spiel für euch beide, für Sie und für Steven, und jetzt müssen die Antworten gegeben werden - nicht erst in sechs Monaten, in einem Prozeß. Ich beginne einfach mal mit den Hintergrundinformationen, die ich benötige - versuchen Sie sich zu entspannen.«
Ich ging mit der jungen Frau die persönlichen Angaben durch, die für den Fragebogen erforderlich waren: Geburtsdatum, ständige Adresse, Zimmergenossinnen, Stand der Ausbildung, Krankengeschichte, finanzielle Situation. Wie die meisten Zeuginnen,
die vor ihr auf diesem Sessel gesessen hatten, war auch diese übergewichtige Neunzehnjährige nervös und fühlte sich nicht wohl. Wenn sie meine Fragen beantwortete, konnte sie mir kaum in die Augen sehen. Sie war im zweiten Semester am Hunter College, teilte mit zwei anderen Studentinnen eine Wohnung und war das erste Mal von zu Hause weg. Sie erklärte, sie wolle nicht, daß ihre Eltern erführen, was passiert sei, weil sie sonst wieder nach Queens zurück oder von der Schule gehen müsse. Ich versicherte ihr, daß unsere Sitzung vertraulich sei.
»Sagen Sie mir doch einfach, wie und wann Sie Steven kennengelernt haben.«
»Wer - ich?«
»Ja, Beverly.«
Sie erklärte, sie habe ihn vor ein paar Wochen auf einer Party getroffen, wo er sich mit einem Jungen unterhalten habe, den sie aus ihrem Soziologiekurs kannte. Nach der Party sei sie mit den beiden ausgegangen, um etwas zu trinken.
»Was haben Sie an diesem ersten Abend getrunken?«
»Wer - ich?«
»Klar.«
Beverly versuchte, sich an die Kombination von Rum und Erfrischungsgetränken zu erinnern, die sie zum erstenmal in ihrem Leben getrunken hatte. Steven und sie hatten vier Stunden lang in einer Bar gesessen, getrunken und sich über ihre Kurse, ihre Interessen und ihre beiderseitigen Freunde unterhalten. Sie hatte ihn in den Wochen danach mehrmals angerufen, aber er hatte auf ihre Nachrichten nie reagiert. Er schien sich für eine ihrer Zimmergenossinnen zu interessieren, und Beverly gab zu, sie sei ein bißchen in Steven verknallt gewesen. Wir gelangten schließlich bis zu den Ereignissen am letzten Samstag abend, als sie Steven zufällig in der Zoo Bar in der Upper West Side begegnet war.
»Was haben Sie getrunken, Beverly?«
»Wer - ich?«
Dreimal »Wer - ich?« waren entschieden genug. »Wir sitzen in einem kleinen Zimmer. Die Tür ist geschlossen. Wir sitzen uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ich sehe dir in die Augen, niemand sonst ist hier. Natürlich meine ich dich.« Ich verlor langsam die Geduld mit Beverly, die mit ihrem ständigen
»Wer - ich?« nur Zeit schinden und herausfinden wollte, ob sie auf die jeweilige Frage ehrlich antworten sollte oder nicht.
Nach meiner Grobheit hörte sie auf, meine Zeit zu verschwenden. Der Rest der Story kam nun viel direkter zur Sprache. Sie erzählte mir, die Zoo Bar sei bekannt dafür, die Drinks in Goldfischgläsern zu servieren. Ein Goldfischglas mit einer nicht identifizierbaren Mischung aus alkoholischen Getränken wird mit acht Strohhalmen gebracht, damit eine Gruppe von Freunden es sich teilen kann. Beverly erinnerte sich daran, daß sie das erste Glas mit ihren beiden Zimmergenossinnen geteilt und ein zweites bestellt hatte, das sie überwiegend allein konsumierte. Sie erinnerte sich noch, daß sie mit Steven flirtete, während er erfolglos ihre Zimmergenossin angebaggert habe. Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wie sie die Zoo Bar verlassen hatte, wie sie zu Stevens Wohnung gekommen war, wer noch bei ihnen war, wie sie in seinem Bett gelandet sei und wie ihre Kleidung auf der Couch in seinem Wohnzimmer gelandet sei. Aber sie versicherte mir, daß sie nie mit ihm geschlafen hätte - wenn sie denn wirklich mit ihm geschlafen hatte-, wäre sie nüchtern gewesen. Irgendwo in dieser Story also sollte ich nun das Verbrechen entdecken.
Ein Schnarren in der Sprechanlage unterbrach die Sitzung. »Tut mir leid, daß ich störe, Alex, aber Chapman ist am Apparat.«
»Ich bin sowieso fast
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