Die letzte Chance - Final Jeopardy
zwar über viele Themen, konzentriere mich aber auf Recht, Anwälte, Wirtschaftsleben - alles, was da so anfällt. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen morgen ein paar meiner Storys vorbeibringen. Bestimmt haben Sie schon einige gelesen, ohne zu wissen, daß sie von mir stammen.«
»Das ist nicht nötig. Ich bin sicher, daß ich schon einiges gelesen habe.«
Zu schade, daß ich nicht vorher erfahren hatte, ob sie ein persönliches Interesse verfolgte oder einen bestimmten Blickwinkel im Auge hatte, aber dazu war es nun zu spät. Außerdem ging ich davon aus, daß die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit sie überprüft hatte, bevor sie das Interview gewährte. Ich hatte diese Woche einfach keine Zeit dafür, Schmonzetten über Unternehmergurus und ihre goldenen Fallschirme zu lesen oder über Frauen in Anwaltsfirmen in Midtown Manhattan, deren Gehalt sechsmal so hoch war wie meins, die aber aus dem Jammern nicht herauskamen.
»Ich werde Ihre Zeit nicht verschwenden«, fuhr sie fort. »Wenn die Details in Ihrem Lebenslauf stimmen und die Artikel, die Laura mir gefaxt hat, den korrekten Background liefern, müssen wir das nicht noch mal durchkauen.«
Ich lächelte zustimmend. Sie war offensichtlich ein Profi und dazu auch noch intelligent. Interviews, in denen der Interviewer die erste Stunde damit verbringt, mich zu fragen, welche Schulen ich besucht hätte, wie lange ich schon bei Battaglia arbeiten und ob ich meinen Job mögen würde, nervten mich.
»Ist es Ihnen recht, wenn wir mit einigen Informationen über die Sex Crimes Prosecution Unit anfangen?«
»Sehr gern«, erwiderte ich.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich ein Band laufen lasse? Es ist einfach angenehmer, als sich Notizen zu machen.«
»Überhaupt nicht.« Ich erzählte, wie die Abteilung Mitte der siebziger Jahre eingerichtet wurde, als unsere archaischen, auf mittelalterlichen englischen Vorstellungen basierenden Gesetze allmählich verändert und modernisiert wurden. Ich hatte damals
noch nicht einmal mein Jurastudium begonnen. Und inzwischen wurde mein Name mit dieser Arbeit identifiziert, weil Battaglia mir den Spielraum und die Unterstützung gewährt hatte, um aggressive Ermittlungen auf diesem Gebiet zuvor unbeweisbarer Verbrechen vorzunehmen. Ein paar Untersuchungen, die zu Verurteilungen in prominenten Fällen führten, die sich nach und nach herausbildende Ansicht der Opfer, daß die Strafverfolgung auf dem Gebiet Fortschritte machte - und schon war die Abteilung das Lieblingskind der Strafrechtspflege geworden. Mittlerweile befaßten sich über zwanzig leitende Staatsanwälte mit der bizarren Vielfalt dieser Phänomene, die da ans Tageslicht kamen. Battaglia hatte sogar Ablegereinheiten ins Leben gerufen, die sich den verwandten Spezialfällen von Gewalt und Kindsmißbrauch in der Familie widmeten.
»Es ist nicht schwer, Sie dazu zu bringen, über diese Arbeit zu sprechen, nicht wahr, Alex? Ich nehme an, daß Sie im Amt bleiben, weil Sie Ihre Arbeit gern tun, nicht weil sie keinen Job in der Privatwirtschaft kriegen konnten. Ich weiß, daß Sie viele Angebote bekommen.«
»Und ich weiß, Ellen, daß die meisten Menschen glauben, dies sei ein trostloser Job, aber das ist es wirklich nicht. Meine Arbeit ist, wenn Sie so wollen, auf der Seite der Engel, bei den Guten. Die uniformierten Cops, die auf Notrufe reagieren, die Leute in der Notaufnahme - sie haben einen viel härteren Job als wir. Sie bekommen die Opfer in viel größerer Verzweiflung zu Gesicht und stehen der Tatzeit viel näher als ein Staatsanwalt. Bis wir im Bilde sind, selbst wenn es gleich am nächsten Tag ist, haben die Opfer sich schon etwas gefangen. Ich verbringe meine Arbeitszeit mit den Opfern - ich muß mich gar nicht so viel mit den Vergewaltigern befassen, und genau so gefällt es mir. Der emotionale Lohn dieser Arbeit ist sehr hoch. Die Opfer erwarten noch immer nicht, daß es in ihrem Sinne ausgeht, und wenn dies, was immer häufiger vorkommt, der Fall ist, sind sie überrascht und befriedigt. Es kann ein wichtiger Läuterungsprozeß für sie sein, ihren Peinigern im Gerichtssaal gegenüberzutreten und zu siegen. Dies spielt beim Genesungsprozeß eine entscheidende Rolle.«
Mag sein, daß Goodman mich nur bei Laune halten wollte - das ließ sich noch nicht so recht sagen -, aber sie schien sich
wirklich für die Arbeit unserer Abteilung zu interessieren. Wir unterhielten uns auch über eine Reform der Gesetzgebung und über die Geschichte der Bewegung, die zu den
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