Die letzte Chance - Final Jeopardy
hab’ einfach nicht gewußt, wo sonst ich Sie finden sollte oder ob meine Anrufe weitergeleitet würden.«
Burrell - falls er wirklich Richard Burrell war - sah in dieser Umgebung einigermaßen harmlos aus. Ich versuchte verzweifelt, mich an all die Geschichten zu erinnern, die Iz über ihn erzählt hatte. Wie ich Luther bereits am letzten Freitag gesagt hatte, deutete keine davon auf Gewalttätigkeit oder Gefährlichkeit hin. Doch ich war allein in meinem Büro, es war nach Dienstschluß, und das Gebäude war praktisch verlassen, zusammen mit einem Mann, der mit Sicherheit auf der kurzen Liste der Mordverdächtigen stand. Nicht sehr klug.
»Wie sind Sie hereingekommen?«
»Um ehrlich zu sein, Miss Cooper - ich hab’ den Wachmann belogen. Ich hab’ ihm gesagt, wir seien zum Essen verabredet, und er ließ mich durch. Tut mir leid, daß ich das getan habe.«
Da kam er zu mir, um mich wegen eines Aspekts an diesem Fall um Hilfe zu bitten, und dann hatte er nichts Besseres zu tun, als mittels einer Lüge zu mir zu gelangen. Zumindest wußte ich nun, was ich von seiner Glaubwürdigkeit zu halten hatte.
»Können wir vielleicht die Tür schließen und miteinander reden?«
»Nein, kommt nicht in Frage! Die Tür bleibt offen, und Sie haben fünf Minuten, um mir zu sagen, was das Ganze soll.«
»Schauen Sie, Miss Cooper, ich habe Angst, schreckliche Angst. Ich bin freiwillig nach Manhattan gekommen, weil die Polizei mit mir sprechen will. Sie glaubt offenbar, daß ich etwas mit Isabellas Tod zu tun habe, aber ich schwöre Ihnen, das stimmt nicht. Man weiß, daß ich sie an dem Wochenende vor ihrer Ermordung in Boston getroffen habe und daß ich mich mit ihr aussöhnen wollte. Man glaubt, ich hätte sie vielleicht umgebracht, weil sie mich abgewiesen hat, aber das ist absurd. Iz hat Ihnen völlig vertraut - ich brauche Sie, damit Sie die Polizei überzeugen, daß ich mit dem Mord nichts zu tun hatte. Bitte!«
»Mr. Burrell, was soll der Unsinn? Nur, weil ich mit Isabella bekannt war, heißt das noch lange nicht, daß ich für Sie oder sonst jemanden, den sie kannte, bürgen kann. Ganz im Gegenteil. Entweder erzählen Sie den Beamten Ihre Version und verlassen sich darauf, daß die Ihre Story überprüfen können, oder Sie suchen sich den besten Verteidiger in der Stadt und holen professionellen Rat ein. Das ist bereits mehr Hilfe, als eine Staatsanwältin Ihnen eigentlich gewähren dürfte.«
»Aber es gibt Dinge, die die Polizei nicht weiß. Nicht, daß mir das was helfen würde, die kommen sicher dahinter.«
»Ihr Kokainproblem etwa? Das wissen sie längst.«
»Nein, das meine ich nicht. Ich hab’ kein Kokainproblem mehr. Darum hab’ ich Los Angeles verlassen, Miss Cooper. Das liegt alles hinter mir. Ich hab’ gerade ein neues Drehbuch geschrieben und möchte wieder ins Geschäft kommen. Eine Verwicklung in einen Mordfall bringt mich um jede Chance.«
Nun, Isabella hatte es ebenfalls um jede Chance gebracht, aber er vergaß, dies zu erwähnen.
Jetzt war ich doch neugierig, in welchem Dilemma Burrell im Augenblick steckte. »Was, fürchten Sie denn, wird die Polizei mißverstehen?«
»Waffen, zunächst einmal. Ich besitze Waffen.«
»Wofür? Etwa Pistolen, zu Ihrem Schutz?«
»Nein, Jagdgewehre. Als ich in Hollywood war, hatte ich nie eine Waffe. Um die Drogen haben sich stets andere Leute gekümmert. Ich hab’ nie welche mit mir herumgeschleppt. Als ich die Entziehungskur machte, zog ich nach Maine - es war leichter für mich, in einer neuen Umgebung sauber zu bleiben. Heute lebe ich auf einer dieser primitiven kleinen Inseln vor der Küste: keine Autobahnen, keine Flugplätze, kein Polizeirevier. Nur eine herrliche Aussicht und jede Menge wilde Tiere. Auf dieser Insel wimmelt es nur so von Elchen und Hirschen, Murmeltieren und Stinktieren. Meine Nachbarn und ich gingen auf die Jagd - nicht als Sport, sondern dann, wenn Tiere Schäden anrichteten oder ein tollwütiges Waldmurmeltier meinen Golden Retriever angriff. Jeder da oben kann Ihnen erzählen, daß ich jedes vierbeinige Geschöpf aufs Korn nehmen und, einem geübten Scharfschützen gleich, zwischen die Augen treffen kann.«
Der Stolz in seiner Stimme, als er seine Treffsicherheit beschrieb, ließ mich erschauern, denn es versetzte mich abrupt an den Tatort mit dem neongelben Absperrband zurück, das Isabellas Hinrichtungsstätte markierte.
Chapman, Flanders und Waldron würden sich für diese Information bestimmt interessieren. Vielleicht
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