Die letzte Chance - Final Jeopardy
einfach zum Hintergrund.«
Die nächsten drei Fotos waren Panoramaansichten, aufgenommen während der Überfahrt zur Insel. Vielleicht hatte der Fußballtrainer des Jungen dem ganzen Team auf der Rückfahrt vom Spiel ins Hyannis gesagt, jeder habe vor dem Anlegen mindestens einen Film zu verknipsen. Mike ging in die Küche, um uns beiden eine Tasse heißen Kaffee zu holen.
»Sie müßte auf einigen der Serienfotos auftauchen.«
Tatsächlich sahen die nächsten Fotos so aus, als ob der neugierige junge Fotograf nun entdeckt habe, wer die toll aussehende Frau war, und habe sich ihr mit der Kamera genähert. Isabella schien sich von seinem Objektiv abzuwenden, wobei sie ihr Gesicht - das bereits hinter einer übergroßen Sonnenbrille halb verborgen war - mit erhobenem Arm abschirmte und mit der anderen Hand nach der Reling auf der von der Kamera entfernten Seite griff. Der Fotograf bewahrte zwar respektvolle Distanz, aber die nächsten Bilder konzentrierten sich alle auf Isabella, obwohl sie ihrem Bewunderer den Rücken zugekehrt hatte. Ich erkannte sogar ihre Kleidung wieder: einen türkis und weiß gestreiften Escada-Pulli mit weißen Shorts, und diese unverwechselbaren, endlos langen, über Plateauespadrilles aufragenden Beine.
»Hast du den Kerl schon gefunden?« Mike stand mir gegenüber und schlürfte seinen Kaffee, während ich meinen auf eine trinkbare Temperatur abkühlen ließ. »Ich schätze, ich könnte eine Fahndung nach dem Mann rausgeben, der an den fünf Fingern hängt, die man auf dem Foto sieht. Richtig?«
Ich lachte. Auf dem Foto, das er meinte, kehrte Iz der Kamera noch immer den Rücken zu, genauer: Sie zeigte ihrem Verfolger ihre Schokoladenseite im Halbprofil, als ob sie sagen wollte: >Wenn du schon nicht lockerläßt, dann nimm mich wenigstens aus dem Blickwinkel auf, den ich bevorzuge.< Über Isabellas Rücken lag der Arm eines Mannes, als wolle er dem Fotografen bedeuten, mit der Knipserei aufzuhören.
»Siehst du, was ich meine?« alberte Mike herum. »Man sollte eine Zeichnung von einer Riesenhand anfertigen und in den Postämtern im ganzen Land aufhängen lassen. Und bevor die Tusche trocken ist, werden diese Deppen von Alaska bis Mississippi anrufen: >Detective Chapman, ich würde diese Hand überall
erkennen.< - >Chief Flanders, mein Hund hat einmal in eine Hand gebissen, die ziemlich genau wie diese Hand ausgesehen hat.< - >Agent Waldron, ich hab’ mal eine Hand geschüttelt, die mich stark an diese Hand erinnert.< Wir knacken diesen Fall in Null Komma nichts.«
Mike brabbelte weiter, aber ich starrte gebannt auf das Foto, das auf dem Couchtisch lag. Ich konzentrierte mich weder auf Isabella noch auf die Hand des Mannes. Meine Gedanken überschlugen sich.
»Mein Gott.«
Mike ignorierte mich beim erstenmal, oder vielleicht war mein Gemurmel zunächst nur für mich hörbar gewesen. In meinem Gehirn aber dröhnte es lauter als Donnerschläge.
»O mein Gott. Das ist doch nicht möglich!«
»Wie bitte?«
»Paul Stuart«, stieß ich hervor.
»Wer ist das denn? Willst du mir etwa sagen, du weißt, wer-«
»Nicht wer«, unterbrach ich ihn, »sondern was.« Mein Magen verkrampfte sich vor Übelkeit, als meine Gedanken meine Eingeweide erreichten, bevor ich auch nur artikulieren konnte, was ich dachte. »Paul Stuart ist eines der besten Herrengeschäfte in New York, Mike. Madison Avenue und Forty-fifth Street.« Das helle, blaugrüne Karomuster des Hemdärmels, der den Arm des Mannes auf der Fotografie - Isabellas Beschützer - umhüllte, sprang mir aus dem Foto entgegen. »Ich hab’ dieses beschissene Hemd bei Paul Stuart in der Woche vor dem Labour Day gekauft. Sea-Island-Baumwolle, für 147 beschissene Dollar. Blas’ deine Fahndung ab, Detective Chapman, dieses miese, verkommene Stück Scheiße, das neben der Leinwandgöttin steht, ist Jed Segal.«
Ich hob die Fotografie auf und ließ sie mit aller Kraft wie eine Frisbeescheibe durchs Zimmer segeln. Sie prallte von meinem großen Schrank ab und blieb unter dem Sideboard liegen, auf dem meine Lieblingssammlung silbergerahmter Schnappschüsse von Familienmitgliedern und Freunden stand. Ich ließ mich in die tiefen Kissen meines übergroßen Sofas sinken und weidete mich an der Enthüllung, daß Jed und Isabella mich auf die schlimmste Weise betrogen hatten, die sich zwei Menschen ausdenken können, um einen dritten zu quälen.
»Herrgott, Alex, nun beruhig dich mal wieder! Du kannst doch nicht auf Grund dieser Bilder sagen,
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