Die letzte Chance - Final Jeopardy
nach unten und hinaus durch die Halle, die so still war wie ein Mausoleum. Zehn Minuten später hielten wir in meiner Auffahrt.
Ich öffnete die Wagentür, sagte Mike gute Nacht und wollte gerade aussteigen.
»Apropos Rollentausch - wir sind wirklich wieder am Anfang angelangt«, bemerkte Mike. »Erinnerst du dich noch an die Vorträge, die du mir während des Quentiss-Prozesses gehalten hast? >Geh direkt heim - zieh nicht durch Kneipen, sauf nicht die ganze Nacht mit den Jungs rum, laß dich nicht mit Stewardessen ein, die hier auf ihren Rückflug warten. Geh heim und ins Bett,
weil du morgen im Kreuzverhör zerlegt wirst.< Erinnerst du dich noch an die kesse junge Staatsanwältin, die ihren ersten hochkarätigen Fall vor Gericht gebracht und mich immer zur Ordnung gerufen hat, wenn ich am nächsten Tag vor Gericht erscheinen mußte? Das gleiche also gilt für dich, Coop. Geh hinauf, geh ins Bett, trink keinen Alkohol, hör deinen Anrufbeantworter ab, falls unser Heimtücker sich in deine Zuneigung zurückzuschmeicheln versucht, behalte für morgen früh einen klaren Kopf. Verstanden?«
»Klar, Boß.«
»Alex, kann ich dich wirklich allein lassen? Ich meine, wenn du Gesellschaft brauchst oder, na, du weißt schon...«
»Danke, Mike. Ich bin wirklich okay. Diese ganze Geschichte hat seit dem ersten Telefonanruf wegen des Mordes ein Eigenleben bekommen. Ich komm’ mir so vor, als sei ich in einen teuflischen Strudel geraten. Ich will jetzt nicht dagegen ankämpfen. Ich glaub’, ich laß mich einfach treiben und sehe, wo ich lande.«
»Gib nicht auf, Blondie. Die wichtigste Lektion für heut’ nacht ist, wie Aretha zu denken. Nicht wie Tammy Wynette. Kein Stand by Your Man. Ich spreche von Respect - in Großbuchstaben. Sag dem Portier, er soll Jed nicht reinlassen, falls er aufkreuzt, und seine Anrufe nicht entgegennehmen. Wir wissen, daß er ein Lügner ist - und ich weiß, daß du das vor dir selbst nicht zugeben willst -, aber vielleicht ist er gefährlicher, als wir denken.«
16
D as rote Lämpchen an meinem Anrufbeantworter blinkte, als ich mein Schlafzimmer betrat und mich auszog. Das Angebot einer Telefongesellschaft, bei der ich mit meinen Freunden überall in den USA preiswerter telefonieren könnte als bei jeder anderen Gesellschaft, ein stummes Auflegen - kam in letzter Zeit ein wenig zu häufig vor - und zwei knappe Nachrichten von Jed, die in den letzten zehn Minuten eingegangen waren. Die erste war kurz und wütend - er beschimpfte mich, weil ich diese lächerliche Show mit meinem »Lieblingscop« abgezogen hätte; die zweite war kurz und beschwichtigend - er beschwor mich, ich solle mich morgen mit ihm treffen und ihm glauben. Der Osterhase, die Zahnfee, der Nikolaus und Jed Segal: Ich hatte an sie alle geglaubt, bis sich herausgestellt hatte, daß sie alle zu den großen Enttäuschungen des Lebens gehörten. Jed würde allerdings nie die Ehre widerfahren, die Bedeutung der anderen drei zu erlangen.
Ich überlegte, ob ich bei David klingeln und ihn um Rat bitten sollte, aber ich hatte Angst, womöglich zu erfahren, daß auch er in einer bisher nicht eingestandenen Beziehung zu Isabella gestanden habe. Also ging ich lieber zu Bett und holte mir das Telefon heran, um Nina Baum anzurufen. Da es in Los Angeles noch nicht mal elf Uhr war, würde ich sie wahrscheinlich nicht antreffen. »Leider sind wir im Augenblick telefonisch nicht zu erreichen...«, leierte der Anrufbeantworter herunter, also wartete ich bis zum Pfeifton und hinterließ ihr eine Nachricht. Ich gestand ihr meinen ganzen Kummer über Jeds Untreue und schloß mit dem Hinweis, daß Mike befürchtete, Jed könnte sogar ein Mordverdächtiger sein. Für mich jedenfalls war eine beste Freundin jedem Psychiater überlegen. Ich wußte, Nina würde gleich morgen zurückrufen und mit mir überlegen, wie ich diese Ergebnisse mit meinem Leben und meinen Vorlieben in Einklang bringen könnte.
Ich machte das Licht aus, rollte mich auf den Bauch und versuchte einzuschlafen. Doch sosehr ich mich auch bemühte, mir
möglichst angenehme Dinge vorzustellen - nach wenigen Sekunden wurden sie wieder von der Wirklichkeit der letzten Stunden verdrängt. Da lag ich nun im Dunkeln, erlebte noch einmal all meine Tage und Nächte mit Jed und fragte mich, ob bestimmte gemeinsame Augenblicke gekünstelt oder echt gewesen waren, ob sie vor oder nach seiner ersten Begegnung mit Iz stattgefunden hatten, ob es vor ihr noch eine andere gegeben hatte.
An
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