Die letzte Chance - Final Jeopardy
Shop, der die ganze Nacht auf hat, und holte mir einen Becher Kaffee, um mich wachzuhalten. Dann rief ich von einer Telefonzelle aus auf dem Revier an, um dem Lieutenant die Lage zu erklären - glaubst du vielleicht, die Stadt New York bezahlt mich für dieses kleine >Power-Frühstück Als ich das erstemal zu deiner Wohnung hochsah - ich find’ sie immer ganz leicht, weil sie an der Ecke liegt und diese wahnsinnig gerüschten Vorhänge hat, die deine Mutter für dich machen ließ -, waren alle Lichter aus. Als ich dort unten stand und meinen Kaffee trank, sah ich hoch, und alle paar Minuten ging woanders das Licht an, bis du es dir vor dem Fernseher gemütlich gemacht hast.«
Mann, wenn du soviel Logik in deine Mordfälle investieren würdest, dann würdest du vielleicht hin und wieder einen lösen.
»Es war fast drei. Ich dachte mir, ich könnte genausogut in meinem Wagen schlafen, statt mich nach Hause zu schleppen.« Mike wohnte nicht sehr weit von meiner Wohnung entfernt, in einem winzigen Studio abseits der York Avenue in der Nähe des East River. Er lebte seit fast fünfzehn Jahren in dem Loch - er nannte es immer »der Sarg« - und zahlte eine sehr niedrige Miete, aber der »Sarg« war im sechsten Stock gelegen und nur zu Fuß zu erreichen, was die Heimkehr zu später Stunde erschwerte. »Ich bin eingenickt, hab’ dann nachgesehen, ob die Festbeleuchtung bei dir immer noch an war, und mir dann gesagt, wenn keiner von uns beiden schlafen kann, dann könnten wir genausogut auch zusammen unglücklich sein. Ich piepste Mercer an, um mich von ihm inspirieren zu lassen - ich hätte doch im Traum nicht gedacht, daß der Kerl sich zu meiner Party einladen würde. Aber er war so schlau, ein rund um die Uhr
geöffnetes Geschäft mit einer großen Auswahl an Eis aufzutun. Laß es dir schmecken.«
Ich dachte an Nina Baum und wie froh sie sein würde, wenn ich ihr später erzählte, daß ich nicht allein gewesen war. Daß zwei der anständigsten Kerle, die ich je gekannt hatte, unaufgefordert durch die letzten trostlosen Stunden des frühen Morgens bei mir ausgeharrt und versucht hatten, mich zu unterhalten, obwohl ich mich damit abgefunden hatte, mich in meinem Elend zu suhlen.
Wir plauderten über Staatsanwälte und Cops, wir erzählten uns alte Geschichten, die wir schon Dutzende Male erzählt hatten, und wir gaben abwechselnd unsere Eindrücke von den abscheulichsten Angeklagten zum besten, denen wir je begegnet waren.
»Kannst du dich noch an den allerersten Fall erinnern, den ich dir gebracht habe?« fragte Mercer.
»Natürlich. Die beiden Brüder, die die Frau an der Lenox Avenue überfallen haben, oben auf dem Dach.«
»Damals trug ich noch Uniform, Mike. Ich wurde nach einem Notruf zu dieser Adresse geschickt, ein Zivilist hielt die beiden im Treppenhaus in Schach. Er hatte gehört, wie eine Frau in seinem Mietshaus schrie. Er ging dem Geräusch nach und aufs Dach, da kamen ihm diese beiden Teenager von oben entgegengerannt und machten im Laufen ihre Reißverschlüsse zu. Der Mann hatte eine registrierte Waffe - und hielt sie damit in Schach. Dann hat er nach seiner Frau geschrien, die rief uns an.«
Mercer löffelte genüßlich sein Eis. »Mein Partner hält die Jungs fest, und ich geh’ aufs Dach rauf, um zu sehen, was passiert ist. Eine 55 jährige Dame, ziemlich hysterisch, erzählt mir, diese beiden Jungs, die sie noch nie zuvor gesehen hat, seien ihr in den Fahrstuhl gefolgt, der größere habe ein Messer rausgeholt und sie gezwungen, mit ihnen aufs Dach zu gehen. Dann habe er sie ausgezogen und zu vergewaltigen versucht. Als er das Messer weggelegt und seinen Reißverschluß aufgemacht habe, begann sie zu schreien, und die beiden seien davongerannt.
Ich ruf’ über Funk einen Bus« - so nannte man im Polizeijargon einen Krankenwagen -, »der sie zum Krankenhaus bringen soll, und geh’ wieder runter, um den Jungs Handschellen anzulegen.
Sie belabern meinen Partner wie die Verrückten. >Das ist unsere Mutter, Mann<, erzählen sie ihm. >Das ist unsere Mutter-sie ist bloß sauer auf uns, weil sie sagt, das Geld für die Miete wäre weg. Mann, wir ham ihr doch nichts getan.<
Also sag’ ich: >Wie heißt denn eure Mutter?< Zum erstenmal sind die beiden ganz still. Sie sehen sich an, aber das hilft ihnen auch nicht weiter. Schließlich schaut mich der ältere an und probiert’s noch einmal: >Ich weiß nicht - wir nennen sie bloß Mom.<«
Es war zwar nicht seine beste Geschichte, aber ich mußte
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