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Die letzte Chance - Final Jeopardy

Titel: Die letzte Chance - Final Jeopardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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möglichen Bedrohungen - all der winzigen Merkmale, die jeden dieser Fälle für das jeweilige Opfer - Frau, Mann oder Kind - so einzigartig machen, ungeachtet der Tatsache, daß mehrere strafrechtliche Definitionen das gesamte Spektrum abdecken. Ich denke, ich weiß besser als jeder andere Mensch auf der Welt, wie ich zwischen den einzelnen Fällen, die mir auf den Schreibtisch kommen, zu unterscheiden habe.«
    »Nun, dann werden Sie mir wohl rechtgeben müssen, Miss Cooper, daß dieses Mädchen so zurückgeblieben ist, daß sie wohl kaum verstanden hat, was mit ihr passiert ist, nicht wahr? Es ist ja nicht so, als ob es Ihnen oder meiner Tochter passiert wäre, oder? Sie würden doch wissen, worum es dabei ging, nicht? Sie kann nicht begreifen, was ihr passiert ist, sie kann es uns nicht einmal erklären.« Ich war wie vom Donner gerührt. Das war ja ein dreifacher Salto: Cerones Überfall war zwar gewaltsam, aber nicht gewalttätig; andere Menschen hatten das Opfer in der Vergangenheit mißbraucht, deshalb war sie diesmal Freiwild für Ernesto Cerone; und weil sie behindert war - höchstwahrscheinlich war sie gerade deshalb zum Opfer auserkoren worden -, zählte das nicht so viel wie bei einer ganz normalen Frau. »Richter Hadleigh«, begann ich, außerstande, seine Kommentare unwidersprochen ins Protokoll aufnehmen zu lassen, »bei allem Respekt, Sir«, du völlig bescheuerter Schwachkopf, »ich muß Widerspruch einlegen gegen die Ansichten, die Sie hier zum Ausdruck gebracht haben. Ich denke, es ist nur fair, wenn ich sage, daß ich seit den von den mittelalterlichen englischen Gerichten aufgestellten Rechtsgutachten über Vergewaltigungsopfer noch nie Bemerkungen wie diese gehört habe.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Die drei Erklärungen, Richter, die Sie über diesen Prozeß abgegeben haben, spiegeln antiquierte Einstellungen wider.«
    »Haben Sie zu mir etwas über das Mittelalter gesagt, Miss Cooper? Wollen Sie sich über mich lustig machen, junge Dame?«
    »Ganz und gar nicht, Sir. Aber sicher werden Sie sich noch an die Rechtsgeschichte dieser Gesetze erinnern, die sich vor zwei Jahrzehnten geändert haben? Sir Matthew Hale, 1671 - all diese archaischen Dokumente über Frauen, die das Eigentum ihrer
Ehemänner seien, und über Vergewaltigung, die kein Verbrechen sei, außer wenn das Opfer vor dem Übergriff Jungfrau gewesen sei. Diese Ansichten sind inzwischen überholt -«
    »Miss Cooper, ich möchte Ihnen einen Gefallen tun. Ich werde dieses Urteil aufschieben und lasse Sie aus meinem Gerichtssaal gehen, ohne Sie wegen Mißachtung zu belangen. Ich gebe Ihnen Gelegenheit, darüber nachzudenken und nächste Woche wiederzukommen - mit einer Entschuldigung mir gegenüber und einer vernünftigeren Ansicht über die Fakten dieses Falles.« Ernesto Cerone griente, als hätte man ihm gerade eine Million Dollar für einen Fixodent-Werbespot bezahlt. Er würde zwar nicht um eine Gefängnisstrafe herumkommen, aber mit jedem Mal, wenn ich meinen Mund auftat, würde seine Strafe ein wenig milder ausfallen.
    »Vielen Dank für diese Chance, Richter, aber ich bin bereit, in der Festsetzung des Urteils für Mr. Cerone fortzufahren.« Ich würde die ganze Szene nur zu gern in Ellen Goldmans Artikel lesen und diesen ignoranten Steinzeitmenschen bloßgestellt sehen.
    »Sie flirten mit einer Rüge wegen Mißachtung, Miss.«
    Zum Teufel noch mal, Richter, ich bin gerade dabei, es aufzugeben, mit Männern zu flirten. Und dabei flirte ich doch so gern.
    Mein Prozeßgegner spielte dem Richter direkt in die Hand.
    »Ich wäre auch dafür, die Angelegenheit um eine Woche zu vertagen.«
    »Ich danke Ihnen. Auf Verlangen des Beklagten wird die Urteilsverkündung für dieses Verfahren auf nächsten Dienstag, 14 Uhr vertagt. Ich erwarte, daß Sie dann ein bißchen höflicher sind, Miss Cooper. Ich möchte keine Beschwerde gegenüber dem Disziplinarausschuß erstatten müssen. Haben Sie das schon mal erlebt?«
    »Nein, Sir.« Aber ich würde es wie eine Verdienstmedaille tragen, wenn du es anhand von dem tätest, was du heute zu Protokoll gegeben hast.
    Hadleigh schritt die Stufen vom Richtertisch herunter und begab sich in sein Umkleidezimmer. Ich sammelte meine Papiere ein und verließ die Bank, um mich zu Ellen Goldman zu gesellen.
    »Ich kann einfach nicht glauben, daß ich wirklich gehört habe, was der Richter da gesagt hat.«

    »Dies sind die Ansichten eines gebildeten Juristen. Können Sie sich vorstellen, was Opfer im

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