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Die letzte Chance - Final Jeopardy

Titel: Die letzte Chance - Final Jeopardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Hilfsstaatsanwälten vorbeiging, die zu Anhörungen und Prozessen in anderen Gerichtssälen unterwegs waren.
    »Hat dieser Fall Sie die ganze Nacht wach gehalten?« Ich schrak aus meiner Versunkenheit auf, als ich die Stimme von Ellen Goldman vernahm, die vor den Fahrstühlen auf mich zukam.
    »Nein, nein - nicht dieser. Tut mir leid, ich hab’ Sie einfach nicht kommen sehen. Ich war ein wenig geistesabwesend.« Ich versuchte, ein Lächeln aufzusetzen. Ich hatte völlig vergessen, daß sie heute dasein würde, und eine Reporterin war das letzte, was mir noch fehlte.

    »Verzeihen Sie, wenn ich das so offen sage - aber Sie sehen blaß aus. Alles in Ordnung?«
    »Aber ja, danke. Ich bin nur - na ja, es ist was Privates. Es war keine sehr gute Woche.«
    Ich drückte auf den Knopf für die siebte Etage. Wegen des Ansturms anderer Prozeßparteien war der Fahrstuhl rappelvoll, so daß wir in dem Gedränge nach oben fuhren, ohne daß ich Small talk mit Ellen machen mußte.
    »Zum Saal von Richter Hadleigh geht es hier lang nach links«, sagte ich, während ich sie zu dem kleinen Raum brachte, in dem der Prozeß Volk des Staates New York gegen Ernesto Cerone stattgefunden hatte.
    »Gab es irgendwelche Berichte über diesen Fall, stand was in der Presse?«
    »Nein, kein Wort - zum Glück für das Opfer.«
    »Können Sie mir etwas darüber erzählen, damit ich weiß, was heute passieren wird?«
    Ich machte Ellen mit den Fakten des Falles vertraut, während wir den Raum betraten und uns in die vorderste Bank setzten, wo wir auf das Eintreffen des Richters und meines Prozeßgegners warten. Das Opfer war eine 28jährige Frau, die in einem Wohnblock in Harlem lebte. Sie war geistig behindert und auf der Entwicklungsstufe eines siebenjährigen Kindes. Ein Zimmermann, der Bauarbeiten in einem Apartment des Gebäudes zu erledigen hatte, lockte sie eines Nachmittags im vergangenen Frühjahr in die leere Wohnung, zerrte sie ins Badezimmer und zwang sie zum Analverkehr. Ihre Schreie wurden von einem Nachbarn gehört, der in die Wohnung eilte und den Vergewaltiger von der völlig verängstigten Frau riß.
    Da die Identität des Angreifers - Ernesto Cerone - außer Frage stand, kehrte die Verteidigung den Spieß um und behauptete, es habe keine Nötigung vorgelegen, das Opfer habe in den Beischlaf eingewilligt. Die Frau habe nur geschrien, weil Cerone sich geweigert habe, sie für das Vergnügen ihrer Gesellschaft zu bezahlen. Die schwere geistige Behinderung der Frau machte sie zum ahnungslosen Opfer eines bösartigen Kreuzverhörs beim Prozeß, und die Verurteilung war nur möglich aufgrund der
überzeugenden Aussage des Nachbarn, der sich eingemischt hatte, um sie zu retten.
    »Das dürfte nicht sehr kompliziert sein. Ich werde die Höchststrafe beantragen, der Verteidiger wird eine Riesenshow abziehen, und der Richter wird am Ende wohl irgendwo in der Mitte landen.«
    »Das hört sich aber nicht danach an, als gäbe es viele mittlere Möglichkeiten. Ach, übrigens, ich habe gestern abend mit meinem Redakteur gesprochen, Alex, und er hätte gern, daß ich noch ein paar Details mehr bringe, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er meint, die Story würde zu trocken, wenn wir nicht einen >Blick hinter die Kulissen< werfen und zeigen, warum Sie diesen Job machen. Er hätte gern noch ein paar persönlichere Informationen über Sie.«
    Ich gab ein ganz sanftes Stöhnen von mir. »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel wie Sie Ihre Freizeit verbringen, was Sie an den Wochenenden machen, mit wem Sie sich treffen, wenn Sie ausgehen.«
    »Schauen Sie, Ellen, ich habe nichts dagegen, mit Ihnen über meine Arbeit zu sprechen, wenn die Presseabteilung dies von mir verlangt, aber ich trenne mein Privatleben von dieser Tätigkeit.«
    »Genau das ist der Punkt. Die meisten Menschen können einfach nicht verstehen, wie Sie das schaffen. Nehmen Sie denn diese Arbeit nicht jeden Abend mit nach Hause? Ich meine nicht die Papiere und Dokumente, ich meine den emotionalen Ballast. Führt denn dieser Job nicht dazu, daß Sie Männer hassen?«
    Darüber mußte ich lachen. Vielleicht war die Goldman doch nicht so intelligent, wie ich anfangs gedacht hatte, wenn sie mir eine so abgeschmackte Frage stellte. »Nein, natürlich nicht. Die Menschen, die diese Verbrechen begehen, weichen von der Norm ab, Ellen. Es handelt sich um extremes, anomales Verhalten. Die meisten Männer, denen ich in meinem Leben begegnet bin, sind außerstande, sich derartig zu benehmen. Ich bin

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