Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
könntest? Sofort, wenn es sein müsste?«
Ange schien in Panik zu geraten, nicht aus Angst, sondern als hätte Chris sich gerade bei einem festlichen Abendessen auf den teuren Teppich übergeben. Beinahe verlegen darüber, dass er so etwas tat.
Aber Jenna grinste nur mit einem Anflug von Wildheit. »Ich weiß es nicht.«
»Kannst du versuchen, es zu beschreiben?«, fragte Chris.
Sie runzelte die Stirn, als würde sie in sich hineinsehen. »Ihr wisst doch, wie das früher beim Anstehen im Supermarkt war, wenn sich einer in der Schlange vorgedrängelt hat? Man hat sich damit abgefunden, weil die Sache es nicht wert war, deswegen die Beherrschung zu verlieren.« Sie zuckte die Schultern. »Es ist, als ob ich meine Selbstbeherrschung bewahre.«
Chris nickte und schwelgte im Rausch der Entdeckung. »Was hat die Verwandlung das erste Mal ausgelöst?«
Jenna warf noch einen raschen Blick auf Mason, aber diesmal so gefühlvoll, dass Chris beiseite sah. »Ich habe mir Sorgen um John gemacht«, flüsterte sie.
»Also ein extremes Gefühl – ein Trauma, wie ich es vermutet habe«, sagte Chris. »Glaubst du, du wärst zwölf Stunden später in der Lage gewesen, das Gleiche zu tun? Zwei Tage später?«
»Nein«, sagte sie fest. »Ich war schon ziemlich müde. Mir tat das Bein weh.«
»Dann hatte eurer Freundin Edna, die schon fünf Tage lang befallen war, solch ein Trauma vermutlich gefehlt.« Chris schüttelte den Kopf. »Aber vielleicht liegt es auch an der allgemeinen Belastung durch den Erreger. Der Katalysator könnte jetzt in der Luft sein, in winzigen Partikeln, aber konzentrierter in den Hundebissen. Wir sind ihm nun schon seit Wochen ausgesetzt. Vielleicht hat das Potenzial endlich Früchte getragen. Aber worin auch die Kombination bestanden hat – Jenna, dein Timing war richtig gut.«
»Warum hast du all das nicht erwähnt, als sie noch bewusstlos war?«, fragte Mason.
»Warum hätte ich das tun sollen?« Er sah auf seine einfallslose Zeichnung hinab. »Ich habe euch doch schon gesagt, dass ich nur raten kann. Ich wollte euch nicht zu große Hoffnung machen. Wir hatten keine Möglichkeit festzustellen, ob sie aufwachen und wie sie sich benehmen würde.«
»Sie benimmt sich gut«, sagte Jenna säuerlich.
Tru wurde neugierig. »Warte mal, also könnten wir alle Gestaltwandler sein? Das wäre klasse!«
Mason knurrte: »Sei kein Idiot.«
»Es tut mir ja leid, dir die Idee gleich wieder zu vermiesen«, sagte Chris, »aber du müsstest schon das Bein nach da draußen strecken, gebissen werden und dann hoffen, dass es dir gelingt, dich zu verwandeln. Gar nicht zu reden davon, dass du das anschließende Koma überleben müsstest. Oh, und ich müsste mit allem, was ich gesagt habe, zu hundert Prozent recht haben. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, Junge.«
»Besonders die, dass du recht hast«, sagte Tru grinsend. »Aber wäre das nicht echt krass?«
»Vielleicht ist gar kein Biss nötig«, sagte Jenna. »Du redest über alles, als ob es Wissenschaft wäre. Aber es wird Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Das hier ist Magie , und wir kennen nicht alle Regeln.«
Chris hasste dieses Wort. Hasste es.
Ange hatte blass, aber aufmerksam dagesessen. Sie hielt gut durch, das musste er ihr lassen. »Aber was ist mit den Monstern? Warum sind sie anders?«
»Ich weiß es nicht.« Chris zeichnete noch eine Linie von Fieber weg und schrieb Monster . »Die Chemie im Gehirn? Vielleicht ist das die Art, wie der Wandel sich auf Menschen auswirkt, die schon gewaltbereit sind?«
»Was hat Mitch doch gleich gesagt?«, fragte Jenna Mason. »Dass das Böse sich schneller an die Magie anpasst?«
»Magie«, sagte Chris hölzern. Die schon wieder. Sie zu ignorieren würde nicht dafür sorgen, dass sie verschwand.
»Stimmt.« Masons Blick war herausfordernd. »Es sei denn, du hast eine Erklärung für die geschwärzten Zellen.«
Tru grinste. »Oder fürs Gestaltwandeln.«
»Vergiss es«, sagte Mason grob und stand auf. »Es spielt keine Rolle. Dieser ganze Blödsinn erklärt doch die anderen seltsamen Veränderungen auf der Welt nicht, oder?«
Einfach so verflog Chris’ Enthusiasmus. Selbst wenn er jede Einzelheit ihrer Situation in wissenschaftlicher Hinsicht hätte erklären können, was mit jeder neuen Enthüllung unwahrscheinlicher wurde, wäre es ihnen nicht besser ergangen. Ganz gleich, wie zutreffend die Ergebnisse seiner Nachforschungen waren, sie garantierten noch lange nicht, dass sie den Winter überleben
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