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Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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sich wie betäubt – den einen Vorteil hatte es, in den Schnee zu fallen! –, aber er fand seine AR-15 und überprüfte das Magazin. Leer. Obwohl er in der Nähe keine Hunde hörte, ließ das Gefühl von Verwundbarkeit ihn die Kälte stärker auf der bloßen Haut empfinden.
    Er hielt sich mit einer Hand die Uniformjacke zu und stolperte zum Tunneleingang, um sein Werk noch einmal zu begutachten. Felsbrocken bildeten eine schwere, dicke Mauer. Er stieß an ein paar Stellen mit dem Fuß dagegen und rechnete damit, dass die Schicht nachgeben würde, weil vielleicht ein Hohlraum hinter der massiv wirkenden Fassade lag. Aber nichts rührte sich.
    Hintertür. Abgeschlossen.
    Endlich.
    Er drehte sich um und erspähte die Axt. Nicht die eleganteste Verteidigungswaffe, aber er hatte nicht vor, sich zu beschweren. Schmerz durchzuckte seine Brust, als er sich bückte, um das Beil aufzuheben. Jeder Muskel winselte. Mason fühlte sich erschöpft und sehr, sehr alt.
    Er blinzelte, um die Farbflecken vor seinen Augen zu verscheuchen, und konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Zurück zur Station. Sich zusammenflicken lassen. Jenna finden.
    Er öffnete seinen Verstand, suchte nach ihr. Nichts. Panik durchzuckte seine Eingeweide. Er versuchte es noch einmal, atmete tief durch, um ein gewisses Maß an Ruhe zu gewinnen, und griff nach ihr. Noch nicht einmal ihre Wolfsseite heulte zur Antwort. Er legte sich die flache Seite der metallenen Axtklinge an eine Schulter und brach zum Ausgang der Schlucht auf. Obwohl die Sorge um Jenna seine Sinne zu benebeln drohte, verdrängte er sämtliche Katastrophenszenarien.
    Schaff es einfach zurück. Das ist alles, was du tun musst. Du hast ihr versprochen, dass alles gut wird.
    Da sein Verstand ungeschützt und auf der Suche war, zog er seltsame Bilder und Empfindungen an – dieses kranke Gefühl, aus dem eigenen Körper hinauszugleiten. Es schwoll an und verdüsterte sich, bis seine Sinne zurückwichen, als hätte er die Lautstärke der physischen Welt heruntergepegelt. Er betastete den Axtgriff. Das Knirschen seiner Stiefel klang weit entfernt. Sein Nacken prickelte.
    Er drehte sich um.
    Ein einzelnes Monster starrte ihn zwischen zwei schwarzen, kahlen Baumstämmen hervor an. Es neigte den grausigen, fettigen Kopf mit blutbefleckten Lefzen zur Seite. Zottiges Fell hing ihm in schlaffen Flecken vom Rücken und von den Flanken. Krallen wie die eines Bären ragten aus seinen Fußballen und gruben sich in den vereisten Schnee. Der Aasgestank des Todes waberte durch die kalte Luft.
    Aber Mason rührte sich nicht. Er hätte es mit der Axt probieren können. Er hätte mit dem Vieh ringen können, bis er ihm den verdammten, verfaulten Kopf abreißen konnte. Aber er wartete.
    Mit der sich langsam auftürmenden Energie einer Gewitterwolke verformte sich der Körper der Bestie. Mason hatte sich einmal bei einer Kneipenschlägerei die Schulter ausgerenkt und nie das Geräusch vergessen, das sein Oberarmknochen gemacht hatte, als er zurück ins Gelenk gesprungen war. Der Hund schnappte und wand sich mit den gleichen knackenden Geräuschen in seiner Haut, während die Knochen ihre Form veränderten. Er streckte sich und wuchs. Seine Schenkel dehnten sich zu menschlichen Beinen aus.
    Kurz dachte Mason an Jenna. Er hatte nicht genau hingesehen, als sie sich verwandelt hatte, und ein Teil von ihm war verdammt dankbar dafür. Aber während Jennas silbrige Wölfin sich in ihre geschmeidige menschliche Gestalt zurückverwandelt hatte, wurde dieses monströse Geschöpf zu einem lebenden Albtraum. Immer noch verwachsen. Immer noch verfault. Nur ein bisschen menschlicher.
    Es war das menschenähnliche Ding, das Mason mit Jenna im Keller gesehen hatte – dasjenige, das bei dieser Winterhorrorshow das Sagen hatte. Der Mann war nackt, und eine dicke Schicht Körperbehaarung bedeckte seine bleiche Haut. Sein Unterbiss entblößte die unteren Eckzähne. Buschige Augenbrauen betonten eine vorspringende Stirn.
    Ein kehliges Grollen. Ein Winseln. Dann ein frustrierter Blick, der auf diesem absonderlichen, deformierten Gesicht beinahe menschlich wirkte.
    Mason hob die Axt von der Schulter.
    Das klickende Grunzen aus der Kehle des Monsters formte sich zu einem Wort. »Hunger«, lallte es.
    Was Mason hier vor sich sah, drehte ihm den Magen um. Er verspürte Mitleid, aufrichtiges Mitleid, obwohl er jahrelang gegen diese Bestien gekämpft hatte. Dieses Ding war einmal ein Mensch gewesen, genau wie die

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