Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
wie sie stumm geschworen hatte, ihm den Schmerz für immer zu nehmen. »Erinnerst du dich an all die orangefarbenen Overalls in der Grube? Daher kamen all die Monster. Sie sind bei Gefängnisrevolten gebissen worden und haben sich in diese Dämonenhunde verwandelt, hirnlos und bösartig.«
»Was ist mit Edna? Sie war kein schlechter Mensch.«
»Nein, und deshalb ist sie auch gestorben.« Er verzog das Gesicht. »Die Schlimmsten der Schlimmen … Die kommen durch.«
»Das ist nicht fair! Ich meine … Scheiße, nichts davon ist fair. Aber wirklich ? Bei guten Menschen kehrt sich das Innerste nach außen, und sie sterben, während der Abschaum der Erde auf allen vieren herumlaufen darf? Was für eine Art Magie ist das?«
»Mitch hat gesagt, dass das Böse sich schneller anpasst, weil es ihm nur um Selbsterhaltung geht. Um jeden Preis.« Er biss sich in die Innenseite der Wange, bis sie blutete. »Er hat auch gesagt, dass irgendwann auch gute Menschen überleben würden. Sie würden lernen, die Magie zu kanalisieren. Jenna, ich muss einfach glauben, dass dieser Zeitpunkt jetzt gekommen ist. Er hat gesagt, dass du es schaffen würdest, weil du musst. Ich habe ihm geglaubt. Ich habe es ihm versprochen. Und ich werde dich nicht zurücklassen.«
»Du würdest die Entscheidung nicht mir überlassen?«
»Wenn es sein muss.«
Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn. Ihre Lippen waren kalkweiß. Sie wippte mit dem Fuß ihres verletzten Beins, als ob sie den Takt zu einer unhörbaren Musik schlug – zuckende Bewegungen, aus Schmerz geboren. »Nein. Das Risiko gehe ich nicht ein. Wir haben so hart daran gearbeitet, alle am Leben zu erhalten. Ich bringe sie jetzt nicht in Gefahr. Was auch immer das hier ist«, sie schwenkte die Hand über ihre Bisswunde, aus der Blut durch den Verband sickerte, »es ist zu unberechenbar.«
Sie gab auf. Sich selbst. Ihn. Ihre Resignation vergiftete die Bindung zwischen ihnen. Genau wie er sie ausgesperrt hatte, als er um ein Stück geistige Gesundheit gerungen hatte, stieß sie ihn nun fort. Als die Wand sich senkte, klang es, als würde eine Gefängnistür zuschlagen.
»Jenna, nicht.«
»Es ist meine Entscheidung.«
Die einsame Reise erstreckte sich wie ein Albtraum vor ihm. Er würde durch einen Treibsand aus Blättern und Schnee stapfen. Er würde die Bündel voller Ersatzteile an Welsh und Ange weiterreichen. Dann würde er zurück in die Wälder gehen. Seine Verzweiflung wurde von einem starken, klaren Gefühl der Unvermeidlichkeit überlagert, als er sich vorstellte, wie das Hunderudel seinen Körper zu Boden zerrte und ihn zerfleischte, bis nur noch Stofffetzen und Knochenstückchen von ihm übrig waren.
»Wage es nicht«, knurrte sie. »Steh auf, Soldat. Es gibt Leute, die dich brauchen. Wenn nicht Chris und Ange, dann Tru und Penny. Glaubst du etwa, dass sie den Winter ohne dich durchstehen?«
»Du würdest die Entscheidung nicht mir überlassen?« Er verspürte aber keinen Triumph, als er ihre Worte wiederholte. Nur die Gewissheit, dass sie beide am Ende eines langen Weges gegen eine Ziegelmauer gerannt waren.
»Gut. Ich komme mit.«
Mason sah ruckartig auf. Ohne nachzudenken, legte er ihr die Handfläche an die Stirn, die schon vor Fieber brannte. »Ja?«
»Klar«, murmelte sie. »Du Hurensohn. Du zwingst eine verletzte Frau, noch zehn Kilometer zu laufen, nur damit sie dafür sorgen kann, dass du das Richtige tust.«
»Und das wäre?«
»Weiterzugehen. Ich decke dir den Rücken, weißt du noch?« Jenna berührte seine Wange. Ihre Augen glänzten vor ungeweinten Tränen.
Er zog sie an sich, während ihm ein Schluchzen in der Kehle stecken blieb. Sie klammerte sich an ihn. Mason begrub das Gesicht in ihrem Haar und küsste ihre Kehle. Mit zerstückeltem Herzen hielt er sie umschlungen, streichelte sie und versuchte, sie in sich hineinzuziehen, sie dort zu behalten. In Sicherheit. Wie er es nicht gekonnt hatte. Ihre Tränen strömten wieder und netzten sein Gesicht. Der kalte Wind brannte auf den salzigen Spuren.
Ganz gleich, wie sehr Jenna sich abmühte, es vor ihm zu verheimlichen, er hörte, dass sie Angst hatte. Ich will nicht sterben. Ich will dich nicht alleinlassen, John.
Mit brennender Lunge zog er sich gerade weit genug zurück, um ihren Mund mit seinem zu finden. Ihre Zunge drängte sich hinein, ein schwacher Abglanz des Feuers, mit dem sie ihn in der Morgendämmerung versengt hatte. Die Zeit verschwamm. War das wirklich erst heute Morgen gewesen? Er hatte
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