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Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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Phantasievorstellung hingegeben, dass ernste kleine Jungen sie mit seinen dunklen Augen ansahen. Sie war nicht selbstlos genug, sich zu wünschen, dass er eine andere finden und mit ihr glücklich werden würde, wenn es noch weitere Überlebende gab. Aber, verdammt, sie wollte, dass er am Leben blieb.
    Kummer ballte sich in ihrer Brust zusammen und ließ ihre Schritte schwerer werden. Seine Trauer und seine Wut leckten an ihrer Entschlossenheit wie Wellen am Ufer, schwemmten jedes Mal, wenn die Gefühle sich zurückzogen, mehr mit. Sie verlor den Überblick darüber, wie lange sie schon unterwegs waren, und ihr fehlte das Wissen, um die Tageszeit anhand des Sonnenstands einzuschätzen.
    »Du musst vorangehen«, sagte sie, »den Weg auskundschaften. Ich bin gleich hinter dir.«
    Zumindest bis zur Tür.
    In der Wüste von Masons Augen erspähte sie einen Hauch seiner Absichten. Wenn er Chris die Rucksäcke gegeben hatte, plante er, mit ihr zu gehen, weg von den anderen. Er würde Tru, Ange und Penny in Chris’ Obhut zurücklassen. Der Wissenschaftler war zwar ein guter Mensch, aber er war nicht hart genug. Ohne Mason würden sie es nicht schaffen.
    Das durfte sie nicht zulassen.
    »John, was du versprochen hast … Das war nicht genug.«
    »Was?« Das Leben war schon aus seiner Stimme versickert, er war ein lebender Toter.
    Ich kann nicht weitermachen. Kann sie nicht verlieren. Kleine Würmer der Trauer wanden sich aus seinem Inneren und krochen in sie hinein, gruben sich ein, bis sie nicht mehr wusste, wo sein Schmerz endete und ihrer begann.
    »Du hast versprochen, nicht zuzulassen, dass ich sie verletze, aber du hast nicht gesagt, dass du bei ihnen bleiben und auf sie aufpassen würdest.«
    Mason schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht von mir verlangen.«
    Tränen wallten auf. Die Kälte ließ sie in ihren Augen gefrieren und verklebte ihr die Wimpern mit Eis. »Doch, kann ich. Vertraust du darauf, dass Chris alles zusammenhält? Wer soll Tru beibringen, was er wissen muss? Du hast einmal gesagt, dass Mitch dir das Leben gerettet hat, dass er dich angeschaut hat und den Mann gesehen hat, der du werden konntest. Wo wärst du jetzt ohne ihn?«
    »Tot. Und, bei Gott, ich wünsche, ich wäre es.«
    »Das war es wert«, sagte sie zu seinem steifen Rücken.
    »Was?«
    »Gestern, mit dir – das war es wert, dafür zu sterben.« Sie drang tiefer vor, unter die Furcht, und fand einen Kern der Zufriedenheit, die sie ihm zum Beweis darbot.
    »Jenna, nicht .«
    »Warum nicht?«
    Er wirbelte zu ihr herum. Eine seiner Hände war stark verletzt, aber er schien es gar nicht zu bemerken. »Mitch ist meinetwegen gestorben , weil ich nicht schnell genug war. Ich habe nicht genug getan.«
    »Es war ein Jagdunfall.« Alte Erinnerungen ordneten sich neu, als sie die Wahrheit dessen spürte, was er sagte. Bei der Beerdigung war der Sarg geschlossen gewesen. Als Zwölfjährige hatte sie noch nicht verstanden, warum.
    »Nur, wenn du es als ›Unfall‹ bezeichnest, wenn einem das Gesicht abgebissen wird.«
    Kälte sickerte in ihre Brust, betäubte sie. Das war mehr, als sie nach allem anderen noch ertragen konnte. Sie befeuchtete sich die eiskalten Lippen mit der Zunge. Sie trockneten im Wind, brachen dann auf und bluteten. Aber sie kannte Mason. Er war zäh und tüchtig, nicht leichtsinnig.
    Schieres Pech. Wie das hier.
    »Es war nicht deine Schuld.«
    »Du hast ja keine Ahnung. Ich habe mein ganzes Team einen nach dem anderen sterben sehen, sogar Mitch, und dann … war nur noch ich da. Nur ich allein, Jenna. Ich bin nach Westen gegangen, wie Mitch es mir geraten hatte. Ich habe versucht, mir ein Leben aufzubauen, aber vor allem habe ich … gewartet. Auf dich.« Sein Kiefer zuckte. »Wenn ich dich nicht retten kann, kann ich niemanden retten, und all die anderen können zur Hölle fahren.«
    Sie konnte ihn nicht erreichen, und das brach ihr das Herz. Ihre Freunde brauchten ihn, aber das wollte er nicht hören. Also wurde sie still, als er die Führung übernahm, und war sich des Bluts bewusst, das unter ihrem provisorischen Verband hervorsickerte. Hier draußen hätte Jenna genauso gut schreiend im Kreis rennen können, weil der Geruch verkündete, dass sie Futter war. Es würden mehr Monster kommen. Bald.
    Sie hatte ihn zu sehr bedrängt und zu viel von ihm verlangt. Er stapfte jetzt einfach geradeaus, statt weiter den leichtesten Weg auszukundschaften. Sie tat ihr Bestes, um mitzuhalten, aber bei jedem Schritt schossen quälende

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