Die letzte Eskorte: Roman
Vorgesetzten des Gefühls nicht erwehren konnte, ungerecht behandelt worden zu sein. Auch jetzt war sein Handeln auf schändliche Weise falsch gedeutet, seine Beweggründe missachtet worden.
Pool hatte den Konvoi verlassen und Hayden mit zu wenig Schiffen zurückgelassen, um es mit dem Gegner aufzunehmen, doch Pool war aus diesem Entschluss offenbar kein Nachteil erwachsen – stattdessen war es ihm gelungen, Hayden in Verruf zu bringen, um sein eigenes Pflichtversäumnis zu vertuschen. Hayden brachte Pools Konvoi bei allen Widrigkeiten des Winters durch die Biskaya, schlug feindliche Schiffe zurück, die über mehr Feuerkraft verfügten – darunter sogar ein Linienschiff – und musste sich zum Dank verspotten lassen. Sein Ruf ging ihm voraus! Das war mehr, als ein Heiliger ertragen konnte.
Im dicht befahrenen Hafen kam die Barkasse langsam voran, und Childers, der Haydens Laune spürte, schaute nur gelegentlich in seine Richtung. Haydens Magen, der schon unter perfekten Bedingungen nicht zuverlässig war, grummelte wie ein Terrier. Während Childers die Barkasse längsseits zur Themis brachte, trat Hayden auf die Sprosse der Jakobsleiter und kletterte rasch nach oben. Den Bootsmann, der ihn vor den aufgereihten Seesoldaten mit schrillen Pfeifentönen empfing, beachtete er gar nicht, als er an Deck kam. Sofort darauf war er in seiner Kajüte verschwunden, warf die versiegelten Einsatzbefehle auf den Schreibtisch und durchmaß den Raum aufgebracht von backbord nach steuerbord.
Auch nach einigen Minuten war seine Wut noch nicht verraucht, aber Hayden glaubte, seine Verzweiflung vor den anderen Offizieren verbergen zu können. Daher schickte er nach Saint-Denis.
Augenblicke später trat der Erste Leutnant ein, abgemagert und gebrechlich, das lichte Haar stumpf und strähnig. Hayden hatte den Eindruck, dass Saint-Denis schwächer wurde und vielleicht sogar einen Rückfall erlitt. Auch seine Charaktereigenschaften waren weniger deutlich ausgeprägt als zuvor – zumindest die Arroganz hatte sich verflüchtigt.
»Geht es Ihnen gut, Leutnant?«, erkundigte sich Hayden.
Saint-Denis nickte steif. »Leidlich. Ich erhole mich nur langsam, Mr Hayden.«
»Das trifft auch auf die anderen zu, die schwer erkrankt waren. Ich mache mir Sorgen, dass Griffiths’ Gesundheitszustand nachhaltig angeschlagen ist.«
»Eigenartig, dass er dem Tod so nahe kam wie kaum ein anderer. Wenn der junge Gould nicht gewesen wäre, dann hätten wir den Doktor gewiss verloren.« Er fasste sich mit einer fahrigen Geste an die Schläfe. »Tatsächlich hätten wir noch mehr Männer verloren. Gould machte uns wieder gesund. Ich hätte nie gedacht, dass ich als Erwachsener noch einmal wie ein Kleinkind gefüttert werden würde, aber so war es.«
»Wir stehen alle in der Schuld von Gould, Ariss und Smosh.«
Saint-Denis nickte, doch in all seinen Bewegungen lag etwas Nervöses und schwer zu Deutendes. Seit seiner Genesung schien er verwirrt zu sein, was Gould betraf – als ob Ablehnung und Dankbarkeit eine Mischung eingegangen wären, für die es keinen Begriff gab.
»Wie verlief Ihre Besprechung mit Brown, Sir?«, erkundigte sich der Leutnant.
Hayden spürte, dass die Wunde in seinem Stolz wieder zu bluten begann, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Wir sollen sieben Frachtschiffe nach Genua eskortieren und dann auf direktem Wege Toulon anlaufen. Vermutlich wird Lord Hood dort einen Kapitän für die Themis finden – und alles wird wieder gut in dieser Welt.«
»Wann laufen wir aus, Sir?«
»In ein paar Tagen. Wir brauchen Trinkwasser, Pulver und Munition.«
»Sehr gut, Sir.«
Wickham hatte eine Golfpartie arrangiert, auf einer Weidefläche unweit der Landenge. Hayden hielt dies zwar für eine seltsame Idee, merkte aber, dass sich seine Offiziere dafür begeistern ließen, was angesichts der zurückliegenden Strapazen begrüßenswert war. Zu den Spielern gehörten Saint-Denis, Dr. Worthing (den man nicht außen vor lassen konnte, da nur er über Schläger verfügte), Mr Smosh und Wickham.
Hayden, der dieses Spiel noch nie gesehen hatte, nahm die Einladung zur Partie nicht an, ließ sich dann aber überreden, wenigstens zuzuschauen. Ein Großteil der Crew hatte ebenfalls vor, das Spiel zu verfolgen, worauf man rasch noch für Essen und Trinken sorgte.
Hayden musste schmunzeln, da ihm das ganze Vorhaben allmählich wie ein Landurlaub vorkam. Tatsächlich war das Interesse bei den Männern so groß, dass Hayden argwöhnte,
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