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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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sich auf Steinen sonnten – um dann den Schlangen zum Opfer zu fallen, wie Hayden vermutete.
    Einmal fragte Wickham Hayden: »Wieso haben sich diese Leute wie Franzosen gekleidet?«, worauf sich Hayden mit dieser Frage an einen der Korsen wandte.
    »Aha«, meinte Hayden dann, als der Korse es ihm erklärt hatte. »Die meisten Leute hier trugen die französische Nationaluniform, als die Franzosen die Insel noch unter Kontrolle hatten, und sie tragen diese Kleidung auch weiterhin, da es praktisch ist. Dennoch hat es sich für einige, wie ich eben erfuhr, als fatal erwiesen, da man sie für Franzosen hielt und im Gefecht erschossen hat.«
    »Sind die Franzosen denn noch in dieser Gegend?«, fragte Wickham. »Ich dachte, die sitzen in ihren Festungen entlang der Küste.«
    Moore, der das Gespräch verfolgt hatte, wandte sich nun auf Englisch an den Midshipman. »So hat man es uns erzählt, Mr Wickham. Aber ob das auch wirklich stimmt ...« Er ließ ein Schulterzucken folgen.
    Hayden fiel auf, dass während des Fußmarsches immer wieder kleinere Spähtrupps losgeschickt wurden und dann Meldung machten. Kleinere Verbände hatten die Höhenzüge in der Nähe gesichert, und die Gäste wurden über Pfade geführt, die dem Verlauf der Täler folgten. Nur selten waren sie in offenem Gelände exponiert, etwa auf Anhöhen oder Bergrücken, und wenn sie einmal diese Stellen passieren mussten, so drängten die Korsen zu größerer Eile.
    Hayden befürchtete, die landschaftlichen Gegebenheiten könnten sich als zu schwierig für Sir Gilbert Elliot erweisen, der gewiss zwanzig Jahre älter als die Männer vom Militär sein mochte, doch Haydens Sorge war unbegründet. Sir Gilbert hatte mit seiner Behauptung, er wandere oft und gern, nicht übertrieben. Dass der Gentleman durchaus ein Gelehrter war, stellte er wiederholt unter Beweis, wenn er unterwegs die Pflanzen mit dem botanischen wie auch dem gewöhnlichen Namen benannte und hier und da Blätter pflückte, um sie zu betrachten und seinen Begleitern zu präsentieren.
    »Sehen Sie! Juniperus oxycedrus .« Er zerrieb ein Blatt zwischen den Fingern und bestand darauf, dass seine Mitreisenden den Duft einsaugten. »Und hier haben wir Myrte«, stellte er fest und präsentierte den anderen ein Blatt. »Der französische Turm in der Bucht von San Fiorenzo steht auf der Mortella -Landspitze, was so viel bedeutet wie Myrte-Landspitze.«
    Wenn man in Sir Gilberts untadeligem Charakter eine kleine Schwäche finden wollte, dann vielleicht die Wesensart, dass er sich vom Wissen her seinen Begleitern überlegen fühlte. Doch das verbarg der Gentleman geschickt hinter ausgezeichneten Manieren und einer kultivierten Bescheidenheit.
    Am dritten Tag auf der Insel erreichten sie kurz nach Mittag das Kloster von Recollets, das seit der Revolution verlassen war. Die Mauern, von zahllosen Korsen besetzt, ragten zwischen den Bäumen auf, und sowie die Bewaffneten die Engländer und den Geleitschutz erblickten, brachen sie in Jubelrufe aus. Der Klosterkomplex war das größte Gebäude, das Hayden bislang auf der Insel gesehen hatte. Die Anlage war zwar alt, aber in erstaunlich gutem Zustand, obwohl sie Jahre zuvor aufgegeben worden war. Die Gäste waren froh, die Zügel der Maultiere einigen eifrigen Jungen in die Hand drücken zu können, die die Fremden aus ihren großen, dunklen Augen anschauten.
    An Erfrischungen reichte man Wein und Obst, aber da die kleine Gesellschaft erpicht darauf war, endlich General Paoli zu treffen, entschied man, das Angebot vorerst abzulehnen und unverzüglich die Audienz beim General in Anspruch zu nehmen.
    Innerhalb des alten Klosters führte man die Engländer über Treppen in eine kleine Zelle, in der Paoli am Fenster saß und sein Buch leicht zum einfallenden Licht neigte. Als er die Gäste gewahrte, erhob er sich etwas mühsam und begrüßte alle sehr herzlich. Er sprach Englisch mit leichtem Akzent, und seine einstmals kraftvolle Gestalt wirkte gebrechlich. Sowohl seiner Stimme als auch seinem Benehmen wohnte eine leichte Betrübnis inne, als trauerte er.
    Sir Gilbert hatte den Gefährten erzählt, der General habe ein Jahr zuvor einen viel geliebten Bruder verloren, doch Hayden hatte nicht das Gefühl, dass der Verlust eines Angehörigen der Grund für Paolis Traurigkeit war. Sein ganzes Leben lang hatte der General sich schon für die Unabhängigkeit Korsikas und seiner Landsleute eingesetzt, doch trotz aller Bestrebungen schien diese Freiheit wie eh und je in

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