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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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nur noch mehr zu kränken. »Wie soll das vonstatten gehen, wenn die Franzosen noch hier sind? Sie müssen zuerst vertrieben werden. Dann habe ich die Absicht, die Stände einzuberufen. Aber bis dahin weiß ich, wie der Wunsch dieser Menschen lautet, und kann daher für sie sprechen.«
    Dies erschien Sir Gilbert offenbar als keine gute Lösung, jedenfalls entnahm Hayden dies dem missbilligenden Ausdruck im Gesicht des Gentlemans, doch Sir Gilbert hob die Hände.
    »Dann müssen wir eben zuerst die Franzosen vertreiben«, erklärte er.
    In diesem Moment wurde zum Dinner gerufen, und die Gesellschaft begab sich nach unten in das Refektorium. Das Mahl war einfach, aber schmackhaft, als ob die Nahrung, die man der kargen Insel abrang, ein Konzentrat wäre und nicht von einem Überangebot von Feuchtigkeit verwässert war.
    Der General entschuldigte sich nach dem Essen und zog sich zurück, da sein alternder Körper Ruhe brauche. Den Gästen wies man Klosterzellen für die Nacht an, und kurz darauf teilten sich die Engländer je zu zweit einen Raum.
    Moore saß auf seiner Liege, sein Gesicht beleuchtet vom warmen Kerzenschein. »Der General wirkt wie ein gebrochener Mann, seit ich ihn zuletzt sah«, merkte der Soldat an. »Leonati erzählte mir, Paoli habe vor einigen Monaten eine Herzattacke gehabt. Wie es scheint, haben auch die Gerüchte von den Ereignissen in Paris nicht gerade zur Besserung seines Gesundheitszustandes beigetragen. Spätestens da stellte er sich entschieden gegen die Franzosen. Bleibt zu hoffen, dass er noch miterlebt, wenn sein Volk die Freiheit erlangt.«
    Hayden hängte seine Jacke an einen hölzernen Haken an der Wand. »Ja, das würde ich auch gern erleben. Mir scheint, dass die Korsen zwar den unbändigen Willen haben, sich unabhängig zu erklären, aber nicht die militärische Stärke besitzen, dieses Ziel auch zu erreichen, geschweige denn den Status auf lange Sicht aufrechtzuerhalten.« Er hielt inne und ließ das Gespräch mit dem General noch einmal Revue passieren. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass Sir Gilbert und Paoli einer Meinung waren ...«
    Dies schien Moore ein wenig zu beunruhigen. »Das Gefühl hatte ich auch. Hoffen wir, dass sie die Schwierigkeiten ihrer ersten Begegnung bald hinter sich lassen. Paoli ist wirklich der Ansicht, Lord Hood habe ihn verletzt, aber Lord Hood hat zuallererst die Interessen Großbritanniens zu berücksichtigen – nicht die Korsikas, so ehrbar das Volk auch sein mag.« Er faltete seine Uniformjacke und legte sie auf einen Stuhl, ehe er in dem kleinen Raum auf und ab schritt. »Hoffentlich haben wir morgen Zeit, die französischen Stellungen auszukundschaften. Diplomatische Missionen liegen mir nicht ganz so.«
    »Mir auch nicht«, pflichtete Hayden ihm bei. »Ich wäre lieber an einer Seeblockade beteiligt, und das will schon was heißen.«
    Die Unterhaltung schien ein Ende gefunden zu haben, und Hayden war im Begriff, dem Offizier eine angenehme Nacht zu wünschen, als Moore noch einmal das Wort ergriff.
    »Ich möchte mich noch entschuldigen, Kapitän, für das unfreundliche Benehmen des Majors – diese Haltung findet sich leider allzu oft in unserem Dienst. Kochler ist, glaube ich, ein exzellenter Offizier, und ich hoffe, dass er in absehbarer Zeit seine Meinung über die Navy revidieren wird, sobald er sieht, mit welchem Eifer und Können die Seestreitkräfte operieren.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, erwiderte Hayden. »Mir ist sehr wohl bewusst, dass auch viele Offiziere in Kreisen der Navy keine hohe Meinung von Ihrem Dienst haben. Eifersucht und Missgunst gegenüber den Landstreitkräften gehören zu den Gefühlen, die unsere Seeleute zusammenschweißen. Ein bedauerlicher Zustand, denke ich.«
    Moore hatte sich auf seiner Liege ausgestreckt, schob nun die Hände in den Nacken und starrte an die Decke. »Manchmal verzweifle ich an den Menschen. Oft habe ich das Gefühl, dass wir nie unsere Volljährigkeit erreichen, sondern immer im Stadium des Heranwachsens verharren. Wie sollen wir es in dieser Welt zu etwas bringen, wenn wir immer Kinder bleiben?«
    Hayden war überrascht angesichts der melancholischen Töne in Moores Gedankengang. Vielleicht geschah dies nur am Ende eines Tages, wenn die Müdigkeit den Oberst überkam.
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Hayden. »Vielleicht erreichen einige von uns nie die Volljährigkeit.«
    »Oh, Hayden, Sie haben kein Schamgefühl.« Der Oberst lachte. »Selbst für einen

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