Die letzte Eskorte: Roman
den Seesoldaten, ich wünsche nicht, dass es noch einmal zu so einer Szene kommt – nicht auf meinem Schiff. Wo ist eigentlich Mr Hawthorne?«
»Wir erwarten ihn heute zurück an Bord, Kapitän. Ich glaube, es gibt immer noch Damen in Bath, deren Herz er noch nicht gebrochen hat. Aber er wird kommen, sobald er diese Angelegenheit geregelt hat.«
»Dann sollten Sie den Damen in Bath mitteilen, dass sie ihn gehen lassen müssen, denn ich brauche ihn hier an Bord. Sein Korporal ist den Pflichten eines Leutnants noch nicht ganz gewachsen.«
»Da stimme ich Ihnen zu, Sir.«
Es klopfte an der Tür. »Leutnant Saint-Denis, Kapitän.«
»Lassen Sie ihn herein.«
Saint-Denis trat ein, in der rechten Hand einige Zettel, den Hut unter den anderen Arm geklemmt. »Ich kann mir das zwar nicht erklären, Sir, aber wie es scheint, war Ihr Verdacht begründet. Einige Vorräte fehlen.« Er nahm ein Blatt Papier und schaute auf die Zahlen, die jemand dorthin gekritzelt hatte. »Um genau zu sein, drei Fässer mit Rindfleisch, ein Fass Talg und diverse Vorräte des Bootsmanns.« Er ließ die Hand sinken, sodass die Zettel an seinem Oberschenkel raschelten. »Ich vermute, es ist der Proviantmeister, Mr Hayden. Vielleicht sogar der Bootsmann selbst.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht Franks ist, Leutnant.« Er wandte sich dem Master zu. »Wie lange segeln Sie schon mit Taylor, Mr Barthe?«
»Schon einige Jahre, Sir. Er ist sehr verschlossen, aber nie gab es Anlass, ihn der Unehrlichkeit zu verdächtigen. Und Franks – nun, er vergisst auch schon mal einen Eintrag, doch er ist die Ehrlichkeit in Person. Ich denke, wir müssen woanders Ausschau nach unserem Dieb halten.«
»Ich stimme Mr Barthe zu. Franks vertraue ich voll und ganz, und auch Taylor war stets verlässlich. Vermutlich werden wir die Diebe bei den Neulingen an Bord finden, Leutnant. Sie werden sie schon aus Ihren Löchern scheuchen. Sonst noch etwas?«
»Nein, Sir. Oh, da ist ein Jude, der Sie sprechen möchte.«
»Hat dieser Mann auch einen Namen?«
»Ja, er hat seinen Namen genannt ...« Die Stirn des Leutnants legte sich in Falten. »Könnte Gold geheißen haben, Sir.«
»Ah, Mr Gold. Bitte holen Sie ihn.«
Barthe und Saint-Denis verließen die Kabine, und kurz darauf wurde ein ortsansässiger Kaufmann vorgelassen, der die Seeleute und Offiziere im Hafen mit Waren versorgte. Auf der Schwelle blieb er stehen, den Hut in der Hand. Hayden kannte Gold bereits seit gut zehn Jahren als ehrlichen und zurückhaltenden Mann, der die bisweilen feindseligen Gefilde des Plymouth Sound und der Flotte Seiner Majestät so bravourös meisterte, dass Hayden ihn für ein wahres Genie im Umgang mit Menschen hielt.
»Mr Gold. Ich hoffe, die Geschäfte gehen gut?«
»Ja, danke, Kapitän Hayden. Darf ich Ihnen noch zu Ihrer Beförderung gratulieren, Sir.«
»Sehr freundlich von Ihnen. Ich denke, Sie sind gekommen, um nach ausstehenden Summen zu fragen?«
Gold versuchte, bei dieser Frage überrascht zu wirken. »Keineswegs, Kapitän Hayden. Ich habe von Ihren Prisen gehört, Sir, und da ich weiß, wie langsam die Prisengerichte und Agenten arbeiten, dachte ich, Sie möchten vielleicht Ihren Kredit erhöhen. Denn jetzt haben Sie als ranghoher Offizier einer Fregatte höhere Ausgaben.«
Hayden war in der Tat knapp bei Kasse und machte sich Sorgen, wie er den gesellschaftlichen Anforderungen seines neuen Postens gerecht werden sollte.
»Für die Fregatte und das Handelsschiff werden Sie eine anständige Summe erhalten, Sir. Ich kann Ihnen einen Vorschuss zu günstigen Konditionen geben. Eigentlich wollte ich Sie aber um einen Gefallen bitten, Kapitän Hayden, und stelle Ihnen im Gegenzug jede Summe zur Verfügung, die Sie benötigen, und das ganz ohne Zinsen.«
»Sie wissen, Mr Gold, dass ich nie eine Bestechungssumme annehmen ...«
»Nein, gewiss, Sir, und das wollte ich damit auch nicht andeuten.«
»Dann nehme ich Ihr Angebot eines Vorschusses an. Und was für einen Gefallen kann ich Ihnen als Zeichen unserer Freundschaft tun?«
»Ich fühle mich geschmeichelt, dass Sie mich als Freund betrachten, Kapitän. Wie ich hörte, fehlen Ihnen noch Midshipmen. Daher möchte ich Ihnen von meinem Sohn Benjamin erzählen. Er ist ein sehr schlauer Bursche, Sir, stets bemüht, zu gefallen und sein Bestes zu geben.«
Hayden war überraschter, als er zugeben wollte. »Ich erinnere mich gut an ihn, Mr Gold. Gewiss hat er all diese lobenswerten Eigenschaften. Doch es gibt da
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