Die letzte Eskorte: Roman
Blick auf Haydens Schreibpult und den eindrucksvollen Papierstapel. »Wenn ich darf, Sir, dann gehe ich jetzt nach unten und melde mich bei Mr Barthe und dem Doktor. Sie haben sicher zu tun.«
»Ja, tun Sie das. Die beiden werden sich freuen, Sie zu sehen.«
Nach einer weiteren kleinen Verbeugung war Wickham auch schon zur Tür hinaus.
Da Hayden die Nase voll hatte von der Schreibtischarbeit, verließ er die Kajüte mit der Absicht, im Lazarett vorbeizuschauen. Später würde er die Regale in den Laderaum des Bootsmanns bringen lassen, die er beim Schiffszimmermann in
Auftrag gegeben hatte – ein Versuch, endlich Ordnung in Mr Franks’ Reich zu bringen, damit dieser einen besseren Überblick über die Vorräte hatte. Kaum hatte er seine Kajüte verlassen, als er am Fuß des Niedergangs auf drei Männer stieß, deren Kleidung aufgrund des heftigen Regens stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Der Kleinste und Jüngste war ein Bursche von vielleicht vierzehn Jahren, der sich nun aus dem Ölzeug schälte. Darunter kam eine neue, fast leuchtende Uniform eines Midshipman zum Vorschein. Der Junge wirkte befangen, bewegte sich unbeholfen und lächelte die ganze Zeit verlegen. Der Größte und Älteste der drei war hager und blickte sich freudlos und mit kaum verhohlener Ablehnung um. Der dritte Mann schien das genaue Gegenteil zu sein, denn er hatte ein rundliches Gesicht und sah mit sich und der Welt zufrieden aus. Ein Lächeln deutete sich um die Lippen der Frohnatur an. Hayden glaubte, einen jener Gentlemen vor sich zu haben, der stets gut gelaunt war und sich die gute Laune durch nichts verderben lassen würde: Er würde nicht einmal merken, dass er in Pferdemist getreten war, und immer noch lächeln.
Archer hielt sich im Hintergrund auf.
»Da kommt unser Kapitän«, sagte er zu den drei nassen Männern. »Reverend Dr. Worthing, Sir.« Der ernste Gentleman nickte. »Reverend Mr Smosh.« Der kleinere der beiden deutete eine Verbeugung an. »Und unser neuer Midshipman, Mr Gould.«
»Gould?«, wiederholte Hayden.
»Mein Vater hat erst kürzlich mit Ihnen vereinbart, dass ich an Bord kommen darf, Kapitän Hayden.«
»Aha. Gould . Es freut mich, Sie an Bord begrüßen zu dürfen.« Zum zweiten Leutnant gewandt, sagte er: »Bringen Sie die Gentlemen zu ihren Kabinen, Mr Archer, und machen Sie den jungen Gould mit Mr Wickham bekannt. Er wird sich um ihn kümmern.« Haydens Aufmerksamkeit galt wieder den beiden Geistlichen. »Ich hoffe, Sie haben heute Abend Zeit, mit mir zu essen. Schiffskost, fürchte ich, aber damit muss man eben leben.«
Nachdem auch das vorerst geregelt war, ließ Hayden die drei Neuankömmlinge in Archers Obhut. Benjamin Gould hatte ihm noch ein Paket überreicht – von dessen Vater. Es enthielt etwas Geld, das Hayden für den Jungen verwahren und bei Bedarf auszahlen sollte. Doch er fand auch das Geld, das der Kaufmann ihm als Vorschuss zugesagt hatte.
In diesem Augenblick ging der neu ernannte Steward an Hayden vorbei. »Mr Castle. Was steht heute Abend auf der Speisekarte?«
»Schweinefleisch, Sir.«
»Habe ich mir gedacht. Ich gebe heute Abend für einige Gäste ein Dinner in meiner Kajüte. Und da möchte ich das Lammfleisch serviert bekommen, das heute Nachmittag für mich an Bord gebracht wurde. Am Tisch sitzen die Pfarrer, Lord Wickham, der neue Midshipman Gould und – ach, ich mache eine Liste.«
An diesem Abend saßen zehn Personen am Tisch: Mr Barthe, die Leutnants Saint-Denis und Archer, die Midshipmen Lord Arthur Wickham und Benjamin Gould, Dr. Griffiths, die Geistlichen Worthing und Smosh, der Leutnant der Seesoldaten, Hawthorne, der endlich wieder an Bord war, und natürlich Hayden selbst. Der neue Tisch wurde von allen bewundert, und auch Hayden musste zugeben, dass er selten ein so fein gearbeitetes Möbelstück gesehen hatte. Nie hätte er sich diesen Tisch leisten können. Mit dem Geschenk waren auch gleich passende Tischtücher aus Leinen geliefert worden, von denen nun eines weiß erstrahlte. Hayden schämte sich ein wenig für das zweitklassige Porzellan in seiner Kajüte. Das Essen jedoch war zweifellos erstklassig – Lammfleisch, das Mr Gold geschickt hatte, dessen Sohn offenbar eine kleine Namensänderung erfahren hatte: Gould .
»Ich bin überrascht, dass ein richtiger Arzt auf einer Fregatte dient, Dr. Griffiths«, sagte Reverend Dr. Worthing in eine Gesprächspause hinein. »Ich nehme doch an, dass Sie Arzt sind, da man Sie immer mit Doktor anredet?«
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