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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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für die Korsen ein, aber er scheint nicht zu begreifen, wie das Leben hier auf der Insel abläuft. Hier ist alles anders als in England, Sir. Die Korsen kann man nicht mit uns Engländern vergleichen. Sie bilden klar voneinander abgegrenzte Clans – und die Bande der Treue gehen weit über das Maß an Loyalität hinaus, das wir bei unseren Familien und Freunden kennen. General Paoli hat sich zwar stets bemüht, zu vermitteln, aber die Korsen töten sich schon bei Beleidigungen und zetteln Fehden an – die manchmal Generationen andauern. Wenn Mitglieder eines Clans über politischen Einfluss verfügen, weiß jeder, dass diese Leute nur den eigenen Clan bevorzugen, auf Kosten der anderen. Und niemand hat daran etwas auszusetzen. Die Vorstellung, die fähigste Person in ein Amt zu wählen, ist den Menschen hier fremd, genauso wie die Vorstellung, dass das Recht gleichmäßig bemessen wird. Leonati erzählte mir, dass ein Verwandter von ihm gefangen genommen wurde, als der General an die Macht kam. Jeder erwartete, Paoli werde diesen Mann von jeglicher Schuld freisprechen – was er nicht tat. Er ließ den Mann das Schicksal erleiden, das das Gericht für ihn bestimmt hatte. Das hatte es bis dahin noch nie gegeben. Unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit gelten hier nicht. Paoli bindet die Clans an sich, weil er sie versteht, und dafür respektieren sie ihn. Ich weiß nicht, ob Sir Gilbert all dies begreift. Aus seiner Sicht stellt Paoli ein Hindernis dar auf dem Weg für die Erschaffung eines perfekten Staates. In dieser Hinsicht ist Sir Gilbert ein bisschen so wie unser Vollmatrose Aldrich. Er ist davon überzeugt, dass alle das vernünftig finden, was ihm als vernünftig erscheint. Vernünftig ist es auf Korsika aber nur, sich um sich selbst zu kümmern. Nur Paoli und einige andere sehen die Notwendigkeit, darüber hinauszuwachsen. Sie glauben, dass die Korsen diese Lektion lernen werden – beizeiten. Aber nicht von einem Tag auf den anderen. Ich fürchte, Sir Gilbert will in kürzester Zeit einen perfekten Zustand haben, dass er versuchen wird, General Paoli zur Seite zu drängen. Und wenn er das tut, wird er das Vertrauen der Korsen verspielen. Er kennt sich nicht mit den Clans aus, weiß nichts von der wechselvollen Geschichte der Allianzen, von der Missgunst zwischen den Clans. Es wird ihm nicht gelingen, den Streit zwischen diesen Clans zu schlichten, denn er weiß ja nicht einmal, was ursprünglich der Anlass für diesen Streit war. Wir sind hier Fremde. Es ist so, als wären wir an einen Ort gereist, an dem die Gesetze der Natur anders sind. Die Schwerkraft zieht Körper nicht nach unten, stattdessen steigen die Körper auf oder trudeln seitlich fort.«
    Hayden wollte widersprechen – denn immerhin war Sir Gilbert Elliot ein weit gereister Mann, der viele Kulturen kannte –, aber alles, was Wickham gesagt hatte, traf zu. Als habe der junge Mann Befürchtungen ausgesprochen, die Hayden teilte, aber bislang noch nicht wahrhaben wollte. Und indem Wickham diese Bedenken laut äußerte, ließ er das gegenwärtige Unternehmen als sinnlos erscheinen.
    »Wir können nur erreichen, die Franzosen zu vertreiben, Wickham. Bleibt zu hoffen, dass Paoli und Sir Gilbert ihre Differenzen beilegen.« Doch Hayden spürte, dass dieser Standpunkt, der nur auf Hoffnungen fußte, keinen großen Wert hatte, und atmete hörbar aus. »Auch Lord Hood setzt kein Vertrauen in Paoli. Er nannte ihn einmal in meinem Beisein einen alten Schurken .«
    Wickham wandte sich ihm zu, das Gesicht vom flackernden Schein des Feuers erfasst. »O nein, Sir. General Paoli ist ein sehr kluger Mann. Bei allem Respekt, aber Lord Hood und Sir Gilbert irren. Der General ist ein sehr integrer Mann und verfügt über ein breites Wissen. Es mag zwar stimmen, dass er nicht immer all seine Absichten offen legt, aber ein Leben in der Politik hat ihm einige bittere Lektionen erteilt. Verrat ist ihm nicht unbekannt.«
    »Gewiss, Wickham. Sorgen wir dafür, dass wir sein Vertrauen nicht enttäuschen. Wir vertreiben die Franzosen, wie wir es versprochen haben. Das ist unser Beitrag zu dem Handel. Wenn andere versagen, können wir wenigstens behaupten, dass wir uns an die Abmachungen gehalten haben.«
    »Aye, Sir. Wenn wir diese Geschütze auf den Bergrücken ziehen, werden die Franzosen nicht lange in ihren Batterien ausharren.«
    »In der Tat. Die Franzosen, die Korsen und die britische Armee glauben nicht, dass man Kanonen auf diese Höhe befördern kann, aber

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