Die letzte Eskorte: Roman
Dank überschütten, dass Sie vor Freude erröten werden. Bedauerlich ist nur, dass Sie nicht alle Flüchtlinge als Ihre Verwandten ausgeben konnten.«
»Nur wenige Familien sind so weit verzweigt. Darf ich Ihnen etwas anbieten, Sir Gilbert? Kaffee vielleicht?«
»Nichts wäre mir lieber.«
Hayden brannte darauf, den zweiten Brief zu lesen, der von Henrietta stammte, doch er wusste sich zu beherrschen und spielte den höflichen Gastgeber für Sir Gilbert Elliot.
Der britische Gentleman war zwar nicht indiskret, legte jedoch einen Hang zum Klatsch an den Tag, und da erlauchte Personen zu seinem Bekanntenkreis zählten, ergab sich für Hayden ein recht interessantes Gespräch. Sir Gilbert verkehrte nicht nur in den höchsten Kreisen der englischen Gesellschaft, er war darüber hinaus vielen großen Denkern und einflussreichen Persönlichkeiten begegnet. Er kannte sowohl den König als auch den Prinzen von Wales persönlich, des Weiteren Burke und Fox wie auch viele andere. Auch der Erste Sekretär der Navy, Philip Stephens, gehörte zu seinen Bekannten.
»Wahrscheinlich werden Sie ihn demnächst mit Sir Philip anreden müssen, wenn Sie nach Hause kommen«, teilte Sir Gilbert ihm mit. »Ich weiß aus sicherer Quelle, dass er bald in den Ritterstand erhoben werden soll. Und das hat er sich wahrlich verdient.«
Kurz darauf – Sir Gilbert hatte sich kaum in das wartende Beiboot gesetzt – eilte Hayden in die Kajüte zurück und öffnete den Brief von Henrietta.
Mein lieber Kapitän Hayden,
ich begann diesen Brief mit der Anrede Mein lieber Charles, als wären auch wir, wie Robert und Elizabeth, Cousin und Cousine, oder als würden wir uns seit Kindheitstagen mit Vornamen anreden. Ich weiß nicht recht, in welchem Ton ich Ihnen schreiben darf, aber Ihr letzter lieber Brief an mich war von einer solchen uneingeschränkten Zuneigung und Warmherzigkeit, dass ich mich ermutigt sah, Ihnen in gleicher Weise zu antworten, in der Erwartung, mir nicht zu große Hoffnungen zu machen.
Ich habe Sie furchtbar vermisst, und Sie sind oft in meinen Gedanken. Frauen, deren Söhne, Ehemänner oder Cousins in diesen schrecklichen Krieg verwickelt sind, müssen ständig in Angst leben. Sie alle warten auf die Post und fürchten den einen schicksalhaften Brief und freuen sich dann umso mehr, wenn eine Nachricht aus fernen Gestaden eintrifft und ihnen mitteilt, dass ihre Lieben unverletzt, gesund und in bester Verfassung sind. Sie können sich gar nicht vorstellen, was dies bedeutet und wie sehr diese armen Frauen dann vor Kummer und Erleichterung zugleich weinen. Und schon wenige Stunden später kehren sie in den Zustand des ängstlichen Abwartens zurück.
Ich würde mir nicht so viele Sorgen machen, wenn Sie ein klein wenig furchtsamer wären. Es war nicht schwer, zwischen den Zeilen zu lesen, was sich während Ihres Konvois ereignet hat. Elizabeth schloss sich meiner Einschätzung an, auch wenn sie das lieber nicht getan hätte. Es war gewiss nicht der ruhige Konvoi, wie Sie ihn beschreiben.
In England hat sich nach Ihrer Abreise nicht viel verändert, doch wir haben einen ungemein strengen Winter. In unserem kleinen Zirkel ist Robert nach wie vor sehr zufrieden mit seinem neuen Kommando und erhofft sich Gefechte, die den Ihren gleichen. Meine liebe Elizabeth ist wie immer sehr beschäftigt und zufrieden und wäre natürlich entzückt, wenn ihr Ehemann wieder daheim wäre. Ich bin vor Kurzem aus Plymouth zurückgekehrt und kann Ihnen berichten, dass Lady Hertle weiterhin alle mit ihrem Eifer in Erstaunen versetzt, obwohl ich feststellen musste, dass der kalte Winter ihren armen Gelenken zu schaffen macht. Natürlich versucht sie, sich nichts anmerken zu lassen, wenn sie geht oder ihrer Handarbeit nachkommt, die sie in den letzten Wochen allerdings weitestgehend hat ruhen lassen.
Meiner eigenen Familie geht es gut, und ich hoffe doch sehr, dass Sie Gelegenheit haben werden, sie alle bei Ihrer Rückkehr kennenzulernen.
Was mich betrifft, so befinde ich mich augenblicklich im Hause meiner Familie, zusammen mit drei meiner Schwestern. Die Tage verbringe ich zumeist mit langen Spaziergängen, mit Musizieren oder Vorlesen (meine Familie verabscheut Kartenspiele). Fast jeden Tag schreibe ich Ihnen, arbeite heimlich an dem Roman und schwelge in ebenso heimlichem Sehnen. Oh, wie ich mir wünsche, dass Sie noch vor dem Frühjahr zurückkehren!
Ich werde fortgerufen. Mein Vater verfasst Abschriften der Forschungen von Mr Newton. Ich
Weitere Kostenlose Bücher