Die letzte Eskorte: Roman
Einer legt Ihnen Steine in den Weg, Sir, der andere sorgt dafür, dass kein anderer die Themis bekommt. Das ist bei Weitem nicht die seltsamste Geschichte, die ich gehört habe.«
Hayden hätte den Master gern nach dem Namen des Informanten gefragt, wusste aber, dass sich das nicht schickte. Der Master hatte schon mehr preisgegeben als ihm lieb sein konnte.
»Ich danke Ihnen, Mr Barthe.«
»Tut mir furchtbar leid, Kapitän«, erwiderte der Master, »dass ich der Überbringer dieser Nachricht sein musste. Aber wie gesagt, ich kann mich nicht dafür verbürgen, dass es auch wahr ist.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Wenn es sich als wahr erweist, dann würde das viel von dem erklären, was sich bislang ereignet hat.«
»Ich kann Ihnen nur eins sagen, Sir, die Kapitäne der Flotte – jedenfalls diejenigen, die über den Tellerrand hinausgucken – halten Sie für einen sehr kühnen Offizier. Unsere Flucht aus Toulon wurde lang und breit diskutiert, und der Transport der Geschütze in die Berge stieß auf begeisterte Zustimmung, trotz oder gerade wegen der Bedenken der Armee.«
»Ich wäre natürlich sehr erfreut, wenn ich erführe, dass ich endlich den Ruf hinter mir lasse, der mir seit meiner Dienstzeit unter Hart anhaftet.«
»Oh, ich denke, bei den Kommandanten von Lord Hoods Geschwader genießen Sie einen ausgezeichneten Ruf, Kapitän.«
Leider gingen Hayden die unfreundlichen Worte von Winter an Bord der Victory nicht aus dem Sinn. Dieser Mann würde Haydens Namen bestimmt nicht lobend erwähnen – wahrscheinlich auch Pool nicht. »Danke, Mr Barthe. Ich hoffe, dass Sie recht haben.«
Der Master schickte sich an aufzustehen, blieb dann aber noch sitzen. »Sie sind ein sehr entscheidungsfreudiger Offizier, Sir, wenn ich so sagen darf. Ein Charakterzug, von dem wir alle profitieren können, sowohl an Land wie auch auf See.«
Hayden hielt sich mit einem Lächeln zurück. »Wenn Sie auf meine Zurückhaltung in Hinblick auf gewisse Angelegenheiten an Land anspielen, dann kann ich Ihnen versichern, dass ich diesbezüglich einen Entschluss gefasst habe.«
»Freut mich zu hören, Sir. Darf ich Ihnen meinen Glückwunsch aussprechen?«
»Noch nicht, Mr Barthe, und mir wäre es lieber, wenn Sie dies noch keinem anderen erzählen würden.«
»Verstehe, Sir.«
»Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Mr Barthe. Aller Voraussicht nach werden wir morgen Vormittag in Plymouth eintreffen, und dann werden sich Ihre Frau und Ihre Töchter freuen, Sie wieder zu Hause begrüßen zu können.«
»Nicht so sehr wie ich mich freuen werde, Sir. Gute Nacht also.«
Hayden ging wieder zur Sitzbank an der Heckgalerie und nahm Platz, stützte die Ellbogen auf die Knie und beugte sich leicht vor, sodass sich die Fingerspitzen dicht vor seinem Mund berührten.
Das war es also! Jemand in der Admiralität wollte um jeden Preis verhindern, dass Charles Saunders Hayden befördert wurde – und der Grund dafür sollten enttäuschte Hoffnungen sein? Konnte das überhaupt wahr sein? War ein Mann so verbittert und rachsüchtig, dass er das Kind einer Frau bestrafte, die vor vielen Jahren vielleicht seine Gefühle verletzt hatte?
Hayden hielt es durchaus für möglich. Und vermutlich richtete sich die Abneigung des Unbekannten gar nicht gegen Haydens Mutter, sondern gegen seinen toten Vater. Hatte er nicht schon oft gehört, er sehe wie sein Vater aus und handele auch so wie er?
Hayden saß kopfschüttelnd da und musste plötzlich lachen. Das alles kam ihm vollkommen verrückt vor. Gewiss, es wäre ihm lieber, dass ihm jemand den Aufstieg in der Navy aus privaten Gründen missgönnte, und nicht, weil ihn dieser Jemand für einen Stümper hielt. Denn manch ein unfähiger Offizier im Dienst redete sich bei einem Karrierestillstand damit heraus, er sei nur deshalb noch nicht befördert worden, weil er über keine Beziehungen verfüge oder missgünstige Feinde innerhalb der Navy habe. Wollte Hayden wirklich zu diesen jämmerlichen Gestalten gezählt werden?
Er hielt es für ratsam, sich bedeckt zu halten und die Ohren zu spitzen. Auf Gerüchte innerhalb der Navy hatte er noch nie viel gegeben. Mit Klatsch und Tratsch hielten sich für sein Dafürhalten nur die Kleingeister auf. Vielleicht ein snobistischer Zug.
Es war an der Zeit, hier und da ein wenig genauer hinzuhören. Denn schließlich würde er in Zukunft den Namen seiner Familie beschützen müssen. Bei diesem Gedanken durchflutete ihn eine Woge der
Weitere Kostenlose Bücher