Die letzte Eskorte: Roman
Schlafmangels leicht reizbar war. »Ich habe Sie nicht gebeten, eine Vorauszahlung an Madame Bourdage zu leisten. Nicht einen Moment hätte ich gedacht, dass Sie so etwas tun würden, zumal dies Ihren Gepflogenheiten widerspricht.«
»Haben Sie den Damen nun ein Empfehlungsschreiben mit auf den Weg gegeben oder nicht?«
»Doch, das habe ich, wie auch für viele andere Menschen. In dem Brief stand aber mit keinem Wort, dass Héloise Bourdage meine Frau ist. Es war ein gewöhnliches Empfehlungsschreiben, wie Gentlemen es jeden Tag verfassen.«
Der Mann tat Haydens Bemerkung mit einer wegwerfenden Geste ab. »Da haben wir es, Sie geben es ja selbst zu.«
»Nichts gebe ich zu!«, ereiferte sich Hayden. »Ich bin an diesem Betrug nicht beteiligt, der Ihr Unternehmen trifft. Den Fehler haben allein Sie zu verantworten.«
»Ich werde mich mit unserem Anwalt beraten, aber ich bin sicher, dass wir nicht verpflichtet sind, Ihnen diese sechshundert Pfund zweimal auszuzahlen.«
»Sechshundert Pfund!« Hayden suchte Halt an der Rückenlehne des Stuhls. »Sie können sich darauf verlassen, dass auch ich meinen Anwalt einschalten werde, denn ich verlange von Ihnen nicht, dass Sie mir das Geld zweimal auszahlen. Einmal würde genügen. Ich bleibe dabei, Sie allein trifft die Schuld, wenn Sie auf zwei Betrügerinnen hereinfallen. Jeder Offizier, den Sie vertreten, darf sich doch wohl darauf verlassen, dass Sie nicht das Prisengeld an irgendwelche Leute auszahlen, die unangemeldet hier hereinplatzen und Anspruch auf das Geld erheben. Geben Sie es zu, Sir, Sie waren hingerissen von der Schönheit dieser Damen und sind auf die Schauspielkunst einer Betrügerin hereingefallen.«
»Wie auch Sie, Sir.«
»Ja, und ich bedaure es zutiefst, aber da ich nicht an diesem Betrug beteiligt war, sondern das Opfer bin, können Sie mir keine Schuld geben.«
»Wir werden sehen, Kapitän Hayden.«
»Das werden wir in der Tat.«
Aufgebracht verließ Hayden das Gebäude des Prisenagenten und eilte in nördlicher Richtung zum Haus von Robert und Elizabeth Hertle. Bei jedem Schritt wuchs sein Unbehagen, bis er fast über das Kopfsteinpflaster rannte.
Oh, wie sehr er es jetzt bereute, diesen Frauen geholfen zu haben! Wieso hatte er nur auf Sir Gilbert Elliot gehört, der ihn um den Gefallen gebeten hatte? Jetzt stand ihm ein Prozess bevor – und nur weil er sich bemüht hatte, zwei Frauen aus einer wahrlich misslichen Lage zu retten. Wenn es ihm gelänge, die beiden in London aufzutreiben, bevor sie das Geld ausgegeben hatten, könnte er sie anzeigen.
Hayden legte die Strecke zum Haus seines Freundes in erstaunlich kurzer Zeit zurück und zog Augenblicke später den Klingelzug an der Tür.
Es war noch recht früh. Kurz darauf steckte Anne den Kopf durch den Türspalt, und Hayden war unglaublich erleichtert, das Gesicht des Dienstmädchens zu sehen, das ihn schon seit Jahren kannte.
»Anne, ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue, dich zu sehen. Bitte sag mir, dass Kapitän Hertle oder Mrs Hertle daheim sind. Ist vielleicht sogar Miss Henrietta zu Besuch?« Hoffnung schwang in seiner letzten Frage mit.
Anne schien überrascht zu sein, ihn zu sehen. Sie wich sogar ein klein wenig von der Tür zurück. Doch sie fasste sich schnell wieder, schenkte Hayden aber kein Lächeln, was nur noch weiter zu Haydens Beunruhigung beitrug.
»Kapitän Hertle ist auf seinem Schiff, Sir«, teilte sie ihm mit. »Mrs Hertle ist zu Hause, aber es ist sehr früh, Sir, wenn ich so sagen darf.«
»In der Tat, und das tut mir leid. Könntest du Mrs Hertle sagen, dass ich hier bin? Ich muss sie in einer dringlichen Angelegenheit sprechen.«
»Warten Sie einen Moment, Sir.«
Zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen wurde Hayden eine Tür vor der Nase zugeschlagen, die ihm früher immer offen gestanden hatte. Nun stand er auf den Treppenstufen und trat unruhig von einem Bein auf das andere.
Als Anne nicht zurückkam, befürchtete Hayden schon, überhaupt keine Antwort oder Erklärung mehr zu erhalten, was ihn zutiefst verletzt hätte. Schließlich, nach über einer Viertelstunde, tauchte Anne wieder an der Haustür auf – nicht Elizabeth, wie er gehofft hatte – und reichte ihm wortlos eine Notiz. Ohne eine weitere Erklärung drückte das Hausmädchen die Tür wieder ins Schloss.
Hayden brach das Siegel mit wachsender Furcht und faltete das steife Papier auseinander.
Wie konnten Sie nur so herzlos und grausam sein? Ich wünsche Sie nicht zu empfangen,
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