Die letzte Eskorte: Roman
Umstände. Etwa zweihundert französische Seeleute hatten in einem Augenblick ihr Leben verloren. Vielleicht hatten einige der Männer, die hoch in der Takelage gearbeitet hatten und heruntergeschleudert worden waren, zunächst überlebt, aber in dem eiskalten Wasser waren sie in kürzester Zeit umgekommen.
Griffiths hatte sich wieder auf das achterliche Orlopdeck zurückgezogen. Einige der Verletzten konnten mit etwas Hilfe zu ihm gehen, andere mussten hinuntergetragen werden, manche waren bewusstlos, andere nur halbwach, unfähig zu sprechen, sodass sie ihren Maaten nicht antworten konnten.
Wickham erschien mit einem Blatt Papier in der Hand. »Ich bin mit meiner Musterung noch nicht fertig, Kapitän, aber es scheint, dass wir neun Seesoldaten aus den Marsen und drei andere Seeleute, die oben waren, verloren haben. Es war ein großes Glück, dass Mr Hawthorne gerade erst das Deck erreichte, als die Fregatte explodierte, sonst hätten wir auch ihn verloren.«
»Und Sie selbst, Mr Wickham?«
»Ich hatte ganz besonderes Glück, Sir. Ich hatte mich gerade geduckt, um mein Glas aufzuheben, Sir, und war in dem Augenblick hinter dem Schanzkleid. Es war schon ein unerwartetes Glück.«
»Ja, ganz sicher. Haben Sie die Männer im Lazarett schon zählen können?«
»Ja, Sir. Aber der Doktor entlässt sie nach und nach, sobald sie ihrer Sinne wieder mächtig sind. Die meisten waren nur eine kurze Zeit bewusstlos und erholen sich schnell. Eine Landratte mit dem Namen Sterling wurde an eine Kanone geschleudert und scheint sich dabei ein Schlüsselbein gebrochen zu haben. Und der Seesoldat, der oben war und gegen den Mast geschleudert wurde, hat erst jetzt das Bewusstsein wiedererlangt. Es sieht so aus, als ob er sich einen Arm gebrochen hat.«
»Es tut mir leid um die Seesoldaten, aber ich fürchte, sie sind ertrunken, ehe sie das Bewusstsein wiedererlangen konnten.« Hayden schüttelte traurig den Kopf.
Ein seltsamer Ausdruck trat auf Wickhams Gesicht. »Die Franzosen, die heruntergeschleudert wurden – haben Sie sie gesehen, Sir? Ihnen wurden sämtliche Kleidungsstücke vom Leibe gerissen! Vielleicht war meine Wahrnehmung in dem Augenblick aber auch getrübt, ich weiß nicht.«
»Nein, nein, Sie haben recht. Ich habe es auch gesehen. Ich habe schon früher davon gehört, dass Männern, die so nahe an einer Explosion waren, durch die Wucht der Detonation die Kleider vom Leibe gerissen wurden. Eine seltsame Sache – und schrecklich zugleich.« Vor seinem inneren Auge tauchten plötzlich die leichenblassen Seeleute auf, wie sie in dem hohen Wellengang auf und nieder dümpelten – es war wie ein Albtraum.
Dann wandte Hayden seine Aufmerksamkeit wieder der französischen Fregatte zu. Er ging nach vorn und erteilte den Befehl, das Steuerbordgeschütz bereit zu machen. In geringer Entfernung sah er, wie Bradley in Richtung der Transportflotte segelte, an Backbord von der französischen Fregatte verfolgt. Sie befeuerten sich gegenseitig mit Deckkanonen, allerdings mit geringem Erfolg, da der hohe Wellengang die Schiffe in heftige Bewegungen versetzte.
»Ich denke, wir sollten einen Schuss auf den Franzosen abfeuern, Mr Morris«, sagte Hayden zu dem Stückmeister. »Er soll wissen, dass wir hier sind.«
»Aye, Sir. Es würde allerdings an ein Wunder grenzen, wenn wir das Schiff träfen, Sir.«
»Vielleicht, aber wir sollten uns bemerkbar machen.«
Die Kanone wurde eilig in Zielrichtung gebracht und, als sich der Bug gerade auf einem Wellenberg befand, abgefeuert. Hayden blickte durch ein Glas, das sein Diener ihm gebracht hatte, und konnte gerade die französischen Offiziere auf dem Quarterdeck erkennen, wie sie in Richtung seines Schiffes starrten. Drei weitere Schüsse wurden auf Bradley abgefeuert, dann scherte das französische Schiff nach Nord-Ost aus. Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann war in der Ferne ein Kanonenschuss zu hören, kurz darauf noch einer. Die beiden Vierundsiebziger kämpften also immer noch.
»Rufen Sie Mr Archer«, befahl Hayden und sah prüfend über das Meer in alle Richtungen.
Der Konvoi war über eine große Meeresfläche verteilt, und es bestand die Gefahr, dass nicht alle Schiffe zusammenblieben. Hayden sah, wie die Transportschiffe gegen den zunehmenden Sturm ankämpften und wie oben Segel eingeholt wurden. Sie hätten in küstennahe Gewässer segeln sollen, ehe der Wind so stark wurde. Aber niemand war da, der diese Entscheidung hätte fällen können, da sowohl Pool als
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