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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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der dienstälteste Offizier in der Messe war, hätte er zumindest den Versuch unternehmen müssen, zur Entspannung der Situation beizutragen.
    »Ein ausgezeichneter Rotwein, Leutnant. Mein Kompliment.«
    Saint-Denis nickte nur und rang sich ein Lächeln ab. Ein Tier, das hinter sich die Falle zuklappen hört, hätte nicht erschrockener dreinblicken können.
    Doch Worthing ließ keine Aussage unkommentiert. »Ich bin sicher, Sie sind zuversichtlich, dass Kapitän Pool uns auf diesem Kurs nie überholen wird und Sie daher Ihren Rang als Commodore noch für eine Weile behalten können, nicht wahr?«
    Ehe Hayden sich eine Antwort zurechtgelegt hatte, ergriff Smosh das Wort.
    »Ihre Offenheit verschafft Ihnen sicherlich manch einen Verehrer«, sagte er zu Worthing. »Ich bewundere das. Ich wundere mich nur, dass solche Erkenntnisse Ihnen kein Leben an Land ermöglichten. Aber ich bin mir andererseits sicher, Dr. Worthing, dass Sie lieber auf See sein wollten.« Er bedachte die am Tisch Versammelten mit einem kurzen Lächeln. »Sehnen wir uns nicht alle nach einer gespannten Zuhörerschaft, die wir mit unserer Weisheit segnen können?«
    Hawthorne fixierte Worthing mit verengten Augen. »Ja, Doktor, warum verdienen Sie sich Ihren Lebensunterhalt eigentlich nicht an Land? Ein Mann mit Ihrer Bildung und Ihrem Ansehen muss doch viele Angebote gehabt haben.«
    Hayden war überrascht, dass ein Kämpfer, der sich so gut darauf verstand, sein Gegenüber zu verletzen, seinerseits genauso verletzbar war.
    »Lassen Sie mich Ihnen sagen«, antwortete Worthing in seiner hochnäsigen, aufgesetzten Art, »dass ich seinerzeit für manch eine Stellung in Betracht kam. Meine Talente sind allerorts erkannt worden. Doch dann erhielten stets andere den Vorzug, da sie über bessere Beziehungen verfügten als ich. Als Lord Hood meine Dienste in Anspruch nahm, hatte ich das Gefühl, berufen zu sein. Ich sollte unter den armen, gottverlassenen Seeleuten der Flotte Seiner Majestät wirken. Das, denke ich, ist der Grund dafür, dass man mich bei Stellungen an Land stets übergangen hat.«
    »Ah, göttliches Eingreifen ...«, sagte Smosh ohne offenkundigen Sarkasmus, doch ein Lächeln konnte er sich nicht verkneifen.
    »Verspotten Sie mich, wenn Sie mögen, aber unser Herr handelt oft auf eine Weise, die sich uns nicht erschließt.«
    »In der Tat«, erwiderte Smosh. Er erhob sein Glas. »Auf die armen gottverlassenen Seeleute der Flotte Seiner Majestät.«
    Alle erhoben ihre Gläser, kaum einer verbarg sein Lächeln gut. »Auf ihr Wohl!«, kam es von allen, doch Hayden fragte sich, ob Griffiths nicht »Amen« gesagt hatte.
    In diesen Augenblick der Leichtigkeit mischte sich Wickhams Schuljungenstimme. »Kapitän, wird Lord Hood Ihrer Meinung nach Toulon halten?«
    Alle sahen Hayden erwartungsvoll an, und er hatte das Gefühl, man werde an der Art der Antwort seine Loyalität England gegenüber bewerten. Doch Hayden wollte bei der Wahrheit bleiben.
    »Nicht, wenn die Franzosen entschlossen sind, Toulon zurückzuerobern, fürchte ich.«
    »Wirklich, Kapitän?«, kam es ein wenig überrascht von Hawthorne. »Wir haben schließlich auch Gibraltar gehalten.«
    »Stimmt, und ich möchte Lord Hood keineswegs beleidigen, aber Toulon hat eine völlig andere Lage. Die Stadt kann vom Land aus eingenommen werden. Wenn eine gut vorbereitete Armee von entsprechender Stärke eine Belagerung beginnt, wird Toulon fallen. Und mir schaudert, was den Einwohnern widerfährt, wenn es wirklich so weit kommt. Ich fürchte, es wird ihnen noch leidtun, dass sie sich auf unsere Seite schlugen.«
    »Sie haben wenig Vertrauen zu Admiral Lord Hood«, stellte Worthing näselnd fest, »... für einen Engländer.«
    Hayden wollte sich nicht provozieren lassen, glaubte er doch, dass nichts den Geistlichen mehr erfreute als zuzusehen, wie seine Spitzen Ärger hervorriefen. »Ich vertraue ihm voll und ganz, Dr. Worthing, aber ich glaube nicht, dass er Wunder wirken kann. Hoffen wir daher, dass die Franzosen auch weiterhin damit beschäftigt sind, sich gegenseitig umzubringen, und Toulon noch eine Weile verschonen.«
    »Es war wagemutig von Hood, überhaupt die Führung über Toulon zu übernehmen«, meldete sich wieder Barthe zu Wort, ehe Worthing einen weiteren Vorwurf formulieren konnte. »Aber es sagt eine Menge über den Zustand der französischen Regierung, wenn die Menschen in Toulon ihre Stadt lieber uns überlassen, als von dem Mob in Paris regiert zu werden. Ich habe schon

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