Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
Vom Netzwerk:
die Auffassung gehört, dass diesem Mann – General Paoli – auch nicht ganz wohl bei dem Nationalkonvent zumute ist.«
    »Die meiste Zeit seines Lebens hat er für die Unabhängigkeit Korsikas gekämpft«, wusste Griffiths zu berichten. »Hat wirklich jemand geglaubt, er würde sich auf lange Sicht mit den Franzosen verbünden? Nein. Bei erster Gelegenheit wird er seine Verbindungen zu Frankreich abbrechen.«
    »Aber Korsika ist ein kleines Land, Doktor«, hob Smosh unaufdringlich hervor, »und Frankreich ist groß, trotz der gegenwärtigen Probleme. Oder sagen wir lieber, Frankreich wird wieder an Größe gewinnen. Sie vertrieben Paoli schon einmal ohne Schwierigkeiten von der Insel. Wenn Paoli sich entschließt, mit den Franzosen zu brechen, dann wird er Korsika für lange Zeit nicht unabhängig halten können, auch wenn er bemerkenswerte Träume hat.«
    »Ich bin ihm einmal begegnet«, sagte Wickham, »General Paoli, meine ich. Im Hause eines Freundes meines Vaters. Paoli hielt sich zu der Zeit gerade in England auf. Meiner Meinung nach bot er einen eher traurigen Anblick. Natürlich trat er würdevoll auf, fast wie ein Adliger, und dennoch wirkte er auf mich wie eine Figur in einem Schauspiel. Eine tragische Figur, ungefähr so wie ein Prinz im Exil. Ehrerbietig lauschten die Leute seinen Ansichten, selbst einige der einflussreichen Männer, die zugegen waren, aber nach meinem Dafürhalten schien er überhaupt nicht zu all den anderen Gästen zu passen. Er unterhielt sich kurz mit mir, war sehr freundlich und sprach ein einfaches Englisch mit starkem Akzent. Sein Französisch war sehr viel besser, und er schien es gern zu sprechen. Er erzählte mir, eines Tages werde er nach Korsika zurückkehren, und wenn ich einmal dort wäre, würde er mich in die Berge zur Jagd mitnehmen. Und während er von seiner Heimat sprach, hatte er Mühe, seine Emotionen zu kontrollieren.« Wickham verstummte, war in die Erinnerung vertieft.
    »Für viele ist er ein Vorbild«, sagte Griffiths, »und das nicht nur in seinem eigenen Land. In Paris hieß man ihn wie einen revolutionären Kriegshelden willkommen: den aufgeklärten Mann – und das, obwohl ihn die Bourbonen für zwanzig Jahre ins Exil in unser Land gezwungen hatten. Rousseau korrespondierte mit ihm, und unser bekannter Dr. Johnson lud ihn in seinen literarischen Club ein. Er hat nicht gerade das bescheidene, anonyme Leben eines Ladenbesitzers geführt, doch ich finde es ein wenig undankbar von ihm, dass er die Briten als eine Nation von Kaufleuten charakterisierte, obwohl wir ihm zwanzig Jahre lang Schutz boten.«
    »Das hat er wirklich gesagt?«, fragte Barthe ungläubig nach.
    »Ich habe das nun schon von verschiedenen Seiten gehört, daher glaube ich es.«
    »Und ich habe uns immer für eine Nation von Seeleuten gehalten«, meinte Hawthorne und lachte kurz auf. »Und Geistlichen natürlich«, fügte er dann hinzu.
    »Nein, nein«, entgegnete Smosh, »Geistliche, alle wie sie da sind, haben ein kaufmännisches Herz. Manche sammeln Pfründe wie Anteilscheine oder Manufakturen. Sie nennen die Verwalter Kuraten und sammeln einen Teil des Geldes und investieren es dann in Land oder Geschäfte. Nein, wir sind auch Kaufleute. Und eine Kirche, trotz all ihres nachweislichen Wertes, ist nichts anderes als ein Ort des Geschäftlichen. Unsere Waren sind Trost und Erlösung – ausgezeichnete Produkte, wie wir alle zugeben müssen – und mit dem Zehnten und den Spenden erbauen wir unsere Läden, nennen sie Kirchen und Kathedralen. Es ist unser erklärtes Ziel, unseren Handel zu vergrößern. Und ist es nicht bezeichnend, dass wir ein geistliches Amt Pfründe nennen? Nicht einen Segen oder sogar eine Pflicht . Nein. Wir nennen es Pfründe, und was bezeichnet es anderes als ein jährliches Einkommen?« Er hielt sich eine Hand an die Brust. »Unter der frommen Brust des Klerikers schlägt das berechnende Herz eines Geschäftsmannes.«
    »Mr Smosh, Sie sollten Scherze dieser Art unterlassen«, beschwerte sich Worthing. »Auch wenn Sie es ironisch meinen, sollten Sie so etwas nicht sagen. Solche Ansichten kommen der Blasphemie nahe, und die Leute könnten glauben, dass Sie es ernst meinen.«
    »Aber das war doch gar nicht ironisch gemeint«, antwortete Smosh. »Ich sage nur die Wahrheit. Ich habe nicht geleugnet, dass manch ein Kirchenmann viel Gutes in seiner Gemeinde tut, aber dasselbe kann man auch von einem Käsehändler oder einem Bankier sagen. Kaufleute haben ihren Wert und

Weitere Kostenlose Bücher