Die letzte Eskorte: Roman
nicht, dass er Gibraltar lebend erreicht. Es – es ging alles sehr schnell. Erst das Fieber, dann krampfartige Schmerzen in seinen Beinen und im Rücken. Er hat viel Nasenbluten, und seine Lungen enthalten eine Flüssigkeit, die er als rötlichen Schaum abhustet. Sein Mundgeruch ist schier unerträglich, und seine Schmerzen sind jetzt so stark, dass ich ihm Laudanum gegeben habe, von dem allerdings nur noch ein ganz geringer Vorrat da ist. Ich wäre unter anderen Umständen über die Ausbreitung der Krankheit nicht so besorgt – wenn der Mann nicht kürzlich aus Portugal gekommen wäre.«
»Sie sind dort aber nicht von einer Seuche betroffen, oder?«
»Soweit wir wissen, nicht. Aber recht oft schon hat ein Schiff einen Hafen verlassen und die Pest mitgebracht, ehe irgendjemand davon erfahren hatte. So geschieht es oft, dass die Krankheit in einen anderen Hafen eingeschleppt wird, wo man vor der Gefahr noch nicht gewarnt worden ist.« Griffiths blickte Hayden gerade in die Augen. »Ich würde dies hier als einen Fall von Influenza bezeichnen, dagegen spricht aber, dass ich die Erkrankung bei einem so jungen und offensichtlich gesunden Mann noch nie so schlimm erlebt habe. Können wir ein Boot zur Agnus schicken, um uns zu erkundigen, ob irgendjemand aus ihrer Mannschaft krank ist?«
Hayden blickte aus dem Fenster. »Heute Abend ist es zu spät, denke ich, aber sobald es hell wird, werden wir jemanden schicken. Wollen Sie Mr Ariss damit beauftragen?«
»Nein, ich glaube, es ist das Beste, wenn ich das selbst übernehme.« Einen Augenblick lang stand Griffiths gedankenverloren da.
»Können wir in diesem Fall noch irgendetwas anderes unternehmen?«
Griffiths schüttelte den Kopf. »Nein, das ist alles, was wir tun können.« Er blickte Hayden wieder in die Augen und versuchte, seine offensichtliche Besorgtheit abzuschütteln. »Sind Sie zum Dinner bei uns?«
»Ja.«
»Dann bis nachher.«
»Halten Sie mich über den Zustand dieses Mannes auf dem Laufenden«, sagte Hayden, als der Doktor die Tür öffnete, um zu gehen. »Wie heißt er?«
»McKee«, antwortete Griffiths, und es sah einen Augenblick lang so aus, als ob er noch mehr sagen wollte. Er zögerte etwas, entschied sich aber dann dagegen und ging.
K APITEL ACHT
Die angespannte Stimmung in der Offiziersmesse ließ in Hayden das Bild eines zum Zerreißen gespannten Seils aufkommen. Fast glaubte er, das Quietschen des Tauwerks zu hören. Sowohl die Tradition wie auch die Etikette verlangten, dass man Gästen jede erdenkliche Höflichkeit erwies, doch die gegenwärtigen Gäste – zumindest einer von ihnen – hatten gegen alle Konventionen verstoßen, die den Matrosen lieb waren.
Hayden war der Ansicht, dass Worthing angesichts der gegenwärtigen Lage ein heimliches Vergnügen verspürte. In diesem Punkt hatte Griffiths recht: Der ehrwürdige Doktor genoss es auf perverse Weise, überall dort, wo er hinkam, Konflikte und Ärger zu schüren. Da er nicht viel in seinem Leben erreicht hatte, hegte er Groll gegen alle und jeden. Warum erkannten sie nicht seine natürliche Überlegenheit? Warum lobten diese törichten Leute andere in höchsten Tönen, wenn sie doch ihm Beifall zollen müssten? Und so kam es, dass sein Groll wuchs und er sich immer öfter beleidigt fühlte. Seine Gehässigkeit brachte Galle hervor, bis er aufgebläht war von Verbitterung.
Hier und da hatte jemand versucht, eine höfliche Unterhaltung in Gang zu bringen, doch es war vergebens. Jetzt konzentrierten sich die Männer bei Tisch lediglich auf ihr Essen und die Bewegungen ihrer glänzenden Gabeln.
»Wie geht es Ihren Patienten, Doktor?«, erkundigte sich Smosh. Der kleine untersetzte Geistliche schien der Einzige zu sein, den das beharrliche Schweigen in der Offiziersmesse nicht störte.
»Den Umständen entsprechend.« Griffiths schaute kurz in Haydens Richtung. Beide hatten niemandem erzählt, was Griffiths befürchtete.
Smosh plauderte weiter und merkte offenbar nicht, dass der Kapitän und der Schiffsarzt besorgte Blicke getauscht hatten. »Ich kenne mich mit so etwas nicht aus, aber ich hatte den Eindruck, dass während des Gefechts nur recht wenige verletzt wurden – zumindest an Bord unseres Schiffes. Kann man das so sagen?«
Wie es schien, rechnete jeder am Tisch damit, dass ein anderer das Wort ergreifen würde, und nach einem Augenblick des unentschlossenen Schweigens antwortete Barthe.
»Wir dürfen uns glücklich schätzen, nur so wenige Männer verloren zu
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