Die letzte Eskorte: Roman
einen Überraschungsangriff einleiten.«
»Diese Rolle sollte lieber die Themis übernehmen. Es wäre besser, wenn das schwerere Schiff angegriffen wird – unsere Achtzehnpfünder werden den Franzosen gewachsen sein. Ich bin sicher, dass Sie uns dann rasch zu Hilfe kommen können.«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
Hayden sah, wie Cole über die Reling kletterte, und dachte, dass er das Leben seiner Crew einem Mann anvertraute, der ihm vorgehalten hatte, nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen zu sein, um Bradley zu retten. Es mochte stimmen, dass Cole ihm das verübelte, aber Hayden hielt ihn dennoch für einen ehrenhaften Mann. Cole würde ihn nicht im Stich lassen. Nein, dieser Mann war noch seine geringste Sorge. Denn jetzt beschäftigten Hayden ein Vierundsiebziger, der in der Dunkelheit lauerte, und die Seuche an Bord des eigenen Schiffes.
Durch die dünnen Zwischenwände des Quarantänebereichs drangen das Husten und die rasselnden Atemgeräusche der Kranken. Fast hatte man den Eindruck, die Männer würden zu Tode gewürgt. Die Matrosen, die unter Deck zur Wache eingeteilt waren, hielten sich möglichst weit entfernt von den eingepferchten Kranken auf – soweit es die Bordwände zuließen.
Als sich die Tür öffnete, spähte Hayden in die matt erleuchtete Hölle. Männer lagen reglos und fast ganz unbekleidet in ihren Schwingkojen. Ihre Haut war dunkelrot verfärbt, ihre Lippen aufgeworfen.
Hayden drückte sich den mit Essig getränkten Lappen auf Nase und Mund, holte Luft und wäre fast erstickt. Einen Moment lang zögerte er, und die Tränen traten ihm in die Augen, doch dann nahm er all seinen Mut zusammen, zwängte sich an dem Wachposten vorbei und betrat das Inferno.
Der Gestank drang sogar noch durch den schützenden Schleier und überlagerte den Essiggeruch. Hayden blieb einen Augenblick lang stehen, da er glaubte, sich übergeben zu müssen. Mit gleichmäßigen Pendelbewegungen schwangen die Männer in ihren Kojen in mehreren Reihen hin und her. Einige schliefen, betäubt von Arzneien, wie Hayden glaubte, doch ab und an begann einer zu röcheln und zu zucken. Kurz stützte er sich auf einem Ellbogen ab, blickte sich verwirrt und mit einem Ausdruck von Hoffnungslosigkeit auf dem fiebrigen Gesicht um, ehe er in die Koje zurücksank.
Gould hockte auf einem Schemel und kühlte einem der Männer die schweißglänzende Stirn mit einem Tuch. In der Nähe, auf einem kleinen Regal, stand eine Schale, in der eine rötliche Flüssigkeit im Rhythmus der Kojen von einer Seite zur anderen schwappte. Ariss hatte die Kranken zur Ader gelassen.
»Richte ihn auf! Richte ihn auf!«, krächzte eine raue Stimme. »Er erstickt, wenn du ihn so liegen lässt.«
Am Ende des Quarantänebereichs fand Hayden den Doktor in einer Koje. Matt und fiebrig lag er da, die Augen traten ihm aus den Höhlen. Mit einer Hand deutete er vage auf einen der Kranken und rief seinem Gehilfen zornige Befehle zu.
»Mr Ariss«, sagte Hayden, als der Gehilfe auf ihn aufmerksam wurde. Er war gerade dabei, einen der Männer in eine sitzende Position zu bringen, und rollte eine Decke auf, um den Mann zu stützen, doch der Kranke widersetzte sich schwach. Hayden eilte Ariss zu Hilfe und hielt den Mann mit einer Hand an der Schulter fest. Sofort spürte er die unnatürliche Hitze, die von dem Körper des Mannes ausging.
»Er verbrennt ja«, wisperte Hayden unwillkürlich und bereute die Worte im selben Moment.
»Sie haben alle hohes Fieber«, erwiderte Ariss entmutigt.
Griffiths richtete sich in seiner Koje auf, schwang ein Bein über die Kante und hockte schließlich gebeugt und keuchend da.
»Sie sollten besser nicht aufstehen, Doktor«, ermahnte Ariss ihn.
Doch Griffiths schüttelte nur störrisch den Kopf. Hayden trat zu ihm.
»Sie selbst haben Ariss aufgetragen, er solle Ihnen eine Koje zuweisen, falls nötig, Doktor. Ich denke, Sie sollten jetzt auf ihn hören.«
»Aber es gibt so viel zu tun«, stieß Griffiths durch zusammengebissene Zähnen hervor. »Wir müssen allen eine Dosis – eine Dosis ...« Der Blick des Arztes wanderte ins Leere, die Augen glasig vom Fieber. Dann sah er leidend zu Hayden auf. »Da – ist noch – eine Sache ...«
Hayden half Griffiths wieder in die liegende Position und sah, wie der Doktor fast ängstlich den Blick über den niedrigen Decksbalken gleiten ließ.
»Mr Hayden?«, brachte er mühsam hervor.
»Ja, Doktor.«
Griffiths hob eine Hand und wies mit zittrigen Fingern in eine
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