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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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unbestimmte Richtung. »Ich glaube, Pritchard ist aus dem Leben geschieden. Seine sterbliche Hülle sollte so schnell wie möglich über Bord geworfen werden.«
    Hayden vermochte zunächst nicht einzuschätzen, ob der Doktor noch ganz bei Sinnen war, als er dann aber an Pritchards Koje trat, sah er, dass Griffiths recht hatte.
    »Mr Ariss, wenn Sie einen Moment Zeit hätten ...«, sagte Hayden leise.
    Ariss schaute auf, nickte, versorgte noch einen Kranken und kam dann sofort zu Pritchards Koje. Rasch tastete er nach dem Puls und gab dann Gould ein Zeichen, woraufhin der Junge zur Tür eilte und leise mit dem Wachposten sprach.
    Augenblicke später kamen zwei ängstlich dreinblickende Seeleute herein, nahmen Pritchards Koje ab, wickelten die Enden fest um den reglosen Körper und brachten den Toten dann an Deck. Die Koje, die Decken und die Kleidung, alles würde mit ins Meer geworfen werden, aus Angst vor der Ansteckung. Nur wenige der Kranken bemerkten überhaupt, was um sie herum geschah, und sahen mit stillem Grausen zu.
    Fünf Männer, dachte Hayden. Diese Seuche hat bereits fünf Männern das Leben gekostet!
    »Brauchen Sie noch irgendetwas, Mr Ariss?«, erkundigte sich Hayden.
    »Richtige Kojen, Sir. Die Kranken sollten nicht in ihren Hängematten liegen, da sie in der gebückten Haltung kaum Luft kriegen. Wir haben alle Kojen geholt, die wir finden konnten.«
    »Ich werde Chettle und Germain sofort damit beauftragen.«
    »Danke, Sir. Das wäre eine große Hilfe.«
    »Und wie geht es Ihnen, Mr Gould?«
    Der Junge wirkte furchtbar verzweifelt, versuchte jedoch, möglichst tapfer zu sein. »Gut, Sir. Ich befolge die Anweisungen von Mr Ariss oder die des Doktors, wenn er bei klarem Verstand ist. Ich denke, dass einige Männer auf dem Weg der Besserung sind.«
    »Dasselbe hast du von dem verfluchten Pritchard gesagt«, murmelte einer der Kranken.
    »Er hatte sich ein wenig erholt«, erwiderte Gould leise, »aber dann hat er es doch nicht geschafft. Möge Gott seiner Seele Frieden schenken.«
    »Möge Gott seiner Seele Frieden schenken«, wiederholte Hayden. »Benachrichtigen Sie mich sofort, wenn Sie noch etwas benötigen.«
    »Danke, Sir.«
    Als Hayden sich zum Gehen wandte, entdeckte er Saint-Denis, der sich so klein wie möglich in seiner Koje machte, als wollte er sich verstecken. Der Mann war elender dran als manch ein anderer.
    »Mr Saint-Denis«, grüßte Hayden ihn. »Es tut mir leid, Sie hier unter den Kranken zu sehen, Sir.«
    »Ich war überhaupt nicht krank«, wisperte der Leutnant. »Aber dann holte Griffiths mich hier zu den Siechen, und jetzt hat es auch mich erwischt, genau wie er es geplant hat.«
    »Ich bin mir sehr sicher, dass Sie Fieber hatten, Sir. Griffiths würde ein solcher Fehler nicht unterlaufen.«
    »Ein Fehler! Es war kein Fehler! Er hat es auf mich abgesehen. Aber Gott sah, was er vorhatte. Und sehen Sie nur! Griffiths ist mit dem Fieber geschlagen. Jetzt werden wir ja sehen, wer am Leben bleibt und wer über Bord geworfen wird.« Diese Tirade hatte ihn so sehr angestrengt, dass er verstummte und keuchend zurücksank. Der Fieberwahn hatte seinen Geist vernebelt – Hayden hatte dies schon oft bei anderen Kranken gesehen.
    »Mr Ariss wird dafür sorgen, dass es Ihnen bald wieder besser geht, dessen bin ich mir sicher.« Hayden nickte dem Mann zu, verließ den Quarantäneverschlag und drehte sich an der Tür noch einmal um, um ein letztes Mal einen Blick in den schwach erleuchteten Raum zu werfen.
    Erleichterung durchströmte ihn, da er mit diesem Besuch seine Pflicht als Kapitän getan hatte. In dem warmen Licht erinnerten die blassen Schwingkojen aus Segeltuch in unheilvoller Weise an Leichentücher, und Hayden bildete sich ein, auf eine Ansammlung von Särgen zu blicken, die im Rhythmus des Todes hin und her schwangen. Das Sterben war in diesem Pferch so gegenwärtig, dass Hayden schon glaubte, der Tod nähme Gestalt an und wandelte zwischen den Kojen, um die Kranken zu verschlingen.
    Rasch zog er nun die grob gezimmerte Tür hinter sich zu, nickte dem wachhabenden Mann kurz zu und eilte die Sprossen der Leiter hinauf zum Batteriedeck, wo ihm die Luft im Vergleich frisch und sauber vorkam.
    Hayden knöpfte seine Jacke auf und sog die kalte Luft gierig ein. Im Quarantänebereich war es so eng gewesen, dass er nun befürchtete, sich bereits in der kurzen Zeit angesteckt zu haben. Einen Moment lang stand er auf dem leeren Deck, lehnte am Traubenknauf eines Achtzehnpfünders und

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