Die letzte Flucht
plötzlich leid.
»Teilnahme AWB « stand in der Akte.
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72. Dengler in der K-Bar
Im Dezember verlor Berlin seine Reize. Der Himmel war grau und missgelaunt und peinigte die Stadt mit einer Mischung aus Kälte, Regen, Wind und Schnee. Dengler wartete in einem Café, bis die K-Bar öffnete. Durchs Fenster sah er, wie Jack neue Flaschen in das Regal der Bar stellte, Gläser und den Tresen polierte. Als die ersten Gäste die schwere Eingangstür öffneten, ging auch Dengler hinüber.
»Hallo Jack.«
Der Barkeeper sah nur kurz auf.
»Neue Frisur, Herr Kommissar.«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis, Jack.«
»Bringt die Bar mit sich. Muss mir Gäste merken und was sie trinken. Jack Daniels?«
»Gern.«
Jack schenkte ein.
Dengler zog das iPhone aus der Tasche und schaltete es an. Er zeigte ihm das Foto von Biggi Bergengruen.
»Das ist die Alte von dem Prof, der umgelegt wurde. Hab ich doch gesagt, wahrheitsgemäß oder?«
»Wahrheitsgemäß«, sagte Dengler, schaltete das Telefon aus und zahlte.
Als er die Bar verlassen hatte und die Kantstraße hinauf zur S-Bahn ging, rasten zwei Streifenwagen an ihm vorbei. Vonferne hörte er weitere Martinshörner. Die Fahndung nach ihm funktionierte.
Aber ihr kommt zu spät, dachte er und ging weiter.
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73. SMS an Daniel
Daniel heulte wie ein kleines Kind.
Finn schlief. Endlich einmal. Seit drei Tagen hatte sie gekotzt und geschissen, ohne Vorwarnung. Sie schrie vor Schmerzen. Ihr Gesicht war aufgequollen. Sie glaubte zu ersticken.
Es war die Hölle.
Aber er würde ihr beistehen.
Sie würden diese fürchterliche Krankheit besiegen.
Alles würde gut werden.
Hoffentlich stirbt sie nicht.
Erschöpft ließ er sich auf den Küchenstuhl fallen.
Er hatte seine Tränen nicht mehr unter Kontrolle.
Sein Diensthandy hupte. Eine SMS war gekommen.
Er hatte doch Urlaub.
Sind Sie sicher, dass Visceratin das Richtige für Ihre Frau ist?
Eine SMS ohne Absender!
Was ist das für eine Scheiße, dachte er und weinte. Was ist denn das für eine gottverdammte Scheiße.
Im Schlafzimmer stöhnte Finn, und er ging zu ihr.
***
Es dauerte einige Stunden, bis Olga begriff, wofür AWB stand. Es stand für Anwendungsbeobachtung. Aber eigentlich machte Dr. Häußler nur ein Kreuz in ein Formular, wenn er Visceratin verordnete. In seiner Buchhaltung gabes aber einen Posten Abrechnung Anwendungsbeobachtung Visceratin. Die Firma Peterson & Peterson überwies ihm jeden Monat zwischen 5000 und 6000 Euro. Je nach Zahl der Visceratin-Verordnungen.
Olga rief ihre Frauenärztin an und fragte sie, was das bedeutete. Sie erfuhr, dass es sich wohl um eine versteckte Provisionszahlung des Herstellers des Medikaments handelte.
»Das gibt es leider. Es gibt Kollegen, die es mit dem Eid des Hippokrates nicht so ernst nehmen.«
»Wie erfahre ich mehr über dieses Medikament?«
»Ich schicke dir die Adressen einiger Datenbanken, in denen du etwas über die Ergebnisse medizinischer Megastudien findest. Du kannst mich jederzeit fragen, wenn du etwas nicht verstehst.«
Sie kochte noch eine Kanne Kaffee.
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74. Nelken
Ihre Adresse fand er in einem Telefonbuch, das er sich in einem Restaurant auslieh. Biggi Bergengruen wohnte in einem Hinterhof in der Immanuelkirchstraße am Prenzlauer Berg. Dengler kaufte sich einen Strauß langstieliger Nelken und klingelte.
»Fleurop. Ein wunderschöner Strauß für Sie«, sagte er in die Sprechanlage.
Sie ließ ihn ein.
Er hielt sich den Strauß vors Gesicht, als sie die Tür öffnete.
»Bitte schön«, sagt er, streckte ihr die Nelken entgegen und stieß sie in die Wohnung, als sie danach griff.
***
»Er ermittelt«, sagte Maria.
Schöttle bekam einen Wutanfall.
»Das ist ein Mörder. Mörder ermitteln nicht.«
»Er hat dem Barkeeper ein Bild gezeigt.«
»Er hat dem Barkeeper das Bild von Voss’ Frau gezeigt. Aber das macht keinen Sinn. Die Frau wird jetzt bewacht. Der Irre will sie vielleicht auch umlegen.«
»Ich sage dir, Dengler ermittelt. Er war Polizist. Er macht Polizeiarbeit.«
»Du hast den totalen Schuss, Maria.«
***
Megastudien, das lernte Olga, sind Studien, die die Ergebnisse von vielen Einzelstudien zusammenfassen. Visceratin war eine neue Substanz. Bei einer verschwindend kleinen Gruppe von Patienten schlug das Medikament an und verlängerte die Lebenszeit um einige Monate. Der Preis waren schreckliche Nebenwirkungen. Für die meisten Patienten jedoch war Visceratin wirkungslos. Zwar bremste es das Tumorwachstum
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