Die letzte Flucht
Kommareck war nun wach. Von diesem Medikament hatte sie noch nichts gehört. Kannte Dr. Rapp das etwa nicht? Sie sah zu Daniel hinüber. Er schrieb eifrig in seinen Block.
Es folgte eine Diskussion. Ein junger Mann meldete sich zu Wort. Er heiße Urs, sagte er. Er habe Maschinenbau studiert und eine tolle Stelle in Aussicht gehabt.
»Dann kam diese Krankheit. Und sie hat mich aus der Bahn geworfen. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.«
Urs stand ganz locker am Saalmikrofon, die linke Hand steckte in der Hosentasche.
»Aber dann kam Visceratin. Es hat bei mir gut angeschlagen. Wirklich super, und wenn jemand von Ihnen damit auch eine Therapie beginnt, kann ich ihm nur gratulieren.«
Daniel schrieb und schrieb.
Nach dem Vortrag drängten sich die Menschen um den Informationsstand. Finn fühlte sich schwach, deshalb warf Daniel sich ins Getümmel. Nach einer Weile kam er beladen mit Infomaterial aus der Menschentraube zurück.
»Dieser Abend hat sich wirklich gelohnt«, sagte er, als sie wieder im Wagen saßen, beugte sich zu ihr hinüber, und sie küssten sich.
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67. Blaulichtparty
Finn Kommareck.
Olga gab den Namen ins Netz. Prompt lieferte der Browser Presseberichte über den Fall Voss. Das Netz lieferte auch einige unscharfe Fotos.
Mochte sie diese Frau? Olga war sich nicht sicher.
Sie wirkte auf den undeutlichen Bildern selbstbewusst. Geradlinig. Preußisch. Deutsch.
Kommissarin Gnadenlos, dachte Olga.
Sie startete ihren Rechner, und die neue Software tastete den Server berlin.de/polizei nach einer unsicheren Stelle ab. Sie fand keinen Zugang.
Das Umfeld absuchen.
Von der Peripherie ins Zentrum gelangen.
Es würde viel Arbeit bedeuten.
Was machen Bullen in ihrer Freizeit?
Kegeln?
Saufen?
Im Berliner Schachverband finde ich wohl keinen.
Sie suchte im Netz Freizeiteinrichtungen auf.
Es wurde Nacht.
Sie checkte die Server der Gewerkschaft der Polizei.
Um zwei Uhr fand sie die Spur, die sie suchte. Eine Disco am Potsdamer Platz veranstaltete regelmäßig ›Blaulichtpartys‹. Zutritt hatten nur Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter. Sie legte eine falsche Identität an: Susanne Schneider – und schickte eine Mail an die Disco.
Hallo, ich bin Susanne und seit einem Jahr bei der Bereitschaftspolizei in Göppingen. Ich würde mit meinem Schatz gerne mal eure legendäre Blaulichtparty heimsuchen. Schickt ihr mir mal euer Programm. Susanne.
Esther Villis hieß die Freundin des Discobesitzers. Sie bereitete einmal im Monat die Belege und Kontoauszüge der Disco für den Steuerberater vor und beantwortete die Geschäftspost sowie die E-Mails an die Disco. Sie tat das nachts, wenn die Disco offen hatte und ihr Freund auch im Büro war. In dem Augenblick, als sie die Mail von Susanne aus Göppingen öffnete und las, installierte sich auf ihrem Rechner unbemerkt eine Software, die Olga Zugang und Kontrolle über den Rechner der Disco ermöglichte.
Olga öffnete den Adresskalender und fand Hunderte von Mailadressen von Polizisten. Manche hatten ihre Dienstadresse angegeben, andere ihre Privatadressen bei gmx, web.de oder googlemail. Sie suchte, aber Finn Kommareck war nicht unter den Einträgen. Olga überlegte und dann schickte sie an zwanzig Polizisten eine Mail an deren Dienstadresse.
Liebe Leute, wir überlegen, ob wir am Heiligen Abend eine Spezial-Blaulichtparty für alle einsamen Herzen veranstalten. Gibt es dafür Interesse? Bitte antworte doch kurz, ob dieses Event auch für Dich interessant wäre. Als Dankeschön erhalten die ersten fünf Antworten eine Wochenendreise nach Barcelona. Herzlich Eure Esther von der Berliner Blaulichtparty
Fast alle Empfänger hatten die Berliner Blaulichtparty als vertrauenswürdige Adresse auf dem Polizeiserver eingetragen. Die Reise nach Barcelona schien verlockend. Bis zum Morgen kamen sieben Rückmeldungen. Fünf davon fanden die Idee einer Party an Heiligabend prima, die beiden anderen schrieben, sie seien privat unterwegs. Bei allen sieben aber installierte sich Olgas Software. Sie war nun im Rechner der Berliner Polizei, und sie suchte Finn Kommareck.
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68. Fünfter Tag (4)
Es war dunkel geworden in Dirk Assmuss’ Gefängnis.
Vom Alkohol spürte er nur noch einen kleinen Nebel, der sein Hirn umwölkte. Er wurde wieder wachsam.
»Wir verkaufen Hoffnung«, sagte Henry und lehnte sich im Stuhl zurück. »Damit fing alles an. ›Direct to consumer advertising‹ heißt die Strategie, die ich entwickelt habe.«
»Das
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