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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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gemacht.«
    »Warum?«
    »Nun, Peterson & Peterson versteht sich als Partner der Ärzteschaft. Wir unterstützen die Ärzte in ihrer alltäglichen Arbeit, so gut wir können. Wir freuen uns, wenn Ärzte von Routinearbeiten befreit werden, denn schließlich sollen sie doch die Menschen heilen und nicht stundenlang über Abrechnungen sitzen.«
    »Das ist Ihre Antwort?«
    »Ja. Wir empfinden eine Verantwortung für …«
    »Sie haben gerade unnötigerweise Ihren Aufenthalt hier um einen Tag verlängert.«
    »Was …? Was soll das heißen?«
    »Ich habe Sie nicht hierhergebracht, um mir Unsinn anzuhören. Ich habe es Ihnen am Anfang gesagt: Sie haben es selbst in der Hand, wie lange Sie hierbleiben. Eine Lüge bedeutet einen Tag länger Gefangenschaft.«
    Henry stand auf.
    »Das … das können Sie nicht machen! Ich habe doch …«
    Henry ging zum Kühlschrank, entnahm zwei Flaschen Wasser, stellte sie auf den Tisch und ging.
    Assmuss saß noch eine Weile am Tisch. Dann zerriss er die beiden Blätter.

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17. Sonnenblende
    Auf der Rückfahrt berichtete Dengler Olga über die Ermittlungen gegen Bernhard Voss.
    »Eigentlich hat die Berliner Polizei den Fall wasserdicht gemacht. Ich sehe nicht, wie Voss da wieder rauskommen kann.«
    »Eine Sache verstehe ich nicht«, sagte Olga. »Warum hat Voss, als er nach dem Verbrechen nach Hause fuhr und geblitzt wurde, die Sonnenblende in seinem Auto runtergeklappt?«
    »Na, das ist doch klar. Für den Fall, dass er geblitzt worden wäre, sieht man sein Gesicht auf dem Foto nicht.«
    »Aber Georg, das macht doch keinen Sinn. Wenn er damit rechnet, geblitzt zu werden, dann wäre es doch klüger und sicherer gewesen, langsamer zu fahren.«
    »Hmm.«
    »Und es nützt auch nichts, weil das Foto ja das Nummernschild des Wagens wiedergibt. Die Spur führt dann doch zu ihm.«
    »Hat sie ja auch.«
    »Nachts die Sonnenblende runterklappen und zu schnell fahren ist ein Widerspruch. Wie erklärst du dir den?«
    »Voss war aufgeregt. Er hat eben ein Kind umgebracht. Wahrscheinlich das erste Mal. Vielleicht auch nicht. Adrenalin bis obenhin. Da denkt er nicht logisch. Er denkt nur: Falls ich geblitzt werde, sollen sie mein Gesicht nicht sehen. Andererseits hat er Angst und gibt Gas.«
    »Könnte sein. Aber richtig zufriedenstellend ist die Antwort nicht.«
    »Das gebe ich zu. Nur – die anderen Indizien sind überwältigend: seine Spermien in und an der Leiche.«
    »Wie lange leben die noch mal?«
    »Vierundzwanzig Stunden. Maximal. Eher weniger.«
    »Dann muss man doch nur sein Leben rekonstruieren. Die letzten vierundzwanzig Stunden vor dem Mord.«
    »Ich weiß nicht, auf was du anspielst, aber – falls dir das noch kein Mann gesagt hat: Man verliert keine Spermien, ohne es zu bemerken.«
    Olga saß nachdenklich neben ihm in der fast leeren Bahn. Dengler legte den Arm um sie.
    »Außerdem wurden Fusseln seines Jacketts an der Leiche gefunden.«
    »Hmm.«
    »Er hat kein Alibi.«
    »Mich würde trotzdem der Widerspruch mit der Sonnenblende interessieren.«
    »Ich dachte, du bist dagegen, dass ich den Fall übernehme?«
    »Ich könnte ja so lange mit dir in Berlin bleiben?«
    Er küsste sie.

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18. Erneut Moabit
    Beim zweiten Treffen wirkte Bernhard Voss ruhiger und gefasst. Er war in eine normale Zelle verlegt worden, in eine Einzelzelle. Er trug eine schwarze Cordhose und ein hellbraunes Hemd. Nur seine Gesichtsfarbe war immer noch auf eine unheimliche Art blass, fast weiß. Dengler versuchte, ihm in die Augen zu sehen, aber Voss hielt den Kopf gesenkt und starrte auf die Tischplatte.
    »Ich würde hier gerne weiter an dem wissenschaftlichen Artikel arbeiten, an dem ich vor … nun ja, vor meiner Verhaftung gearbeitet habe. Geht das?«
    Selbst beim Sprechen hob er den Kopf nicht. Dengler mochte den Mann nicht.
    »Das wird nicht funktionieren«, sagte Lehmann. »Du bist wegen Mordes angeklagt. Der Richter vermutet sofort Verdunklungsgefahr. Außerdem hat die Polizei alles Mögliche in deinem Büro durchsucht, beschlagnahmt und so weiter.«
    Er überlegte einen Moment.
    »Christine hat mir von der akuten Gefahr durch deine Krankheit erzählt. Wie geht es dir?«
    Jetzt bewegte Voss den Kopf, nicht viel, hob ihn um einen Zentimeter, dann noch ein Stück, blieb weiter mit gesenktem Haupt sitzen, bevor sich der Kopf langsam weiter hob, so als müsse er ein übermächtiges Gewicht nach oben stemmen. Weder Lehmann noch Dengler rührten sich, sie sahen Voss zu, als beobachteten sie

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