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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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als 0,8 Promille gewesen.«
    »Und bei Ihnen?«
    »Ich hätte wohl auch besser ein Taxi nehmen sollen. Aber Sie werden das wohl nicht der Polizei melden?«
    »Keine Sorge. Können Sie mir genauer sagen, was Sie beide an diesem Abend getrunken haben?«
    »Ein paar Biere. Zwei Schnäpse – also jeder einen Schnaps. Wir saßen im Zwiebelfisch. Nicht extrem. Extrem haben wir nicht getrunken.«
    »Besuchten Sie noch ein anderes Lokal?«
    »Wir nahmen noch einen Absacker in der K-Bar am Savignyplatz. Das war’s.«
    »Sie haben Ihren Bruder zu Hause abgesetzt. Hatte er keinen eigenen Wagen dabei?«
    »Nein. Er bat mich, ihn am Prenzlauer Berg abzuholen. Das hab ich dann auch gemacht.«
    »Wissen Sie, was Ihr Bruder dort wollte?«
    »Nein. Ich habe ihn auch nicht danach gefragt.«
    »Wissen Sie noch, wann Sie Ihren Bruder zu Hause abgesetzt haben?«
    »Das muss etwa Viertel nach elf gewesen sein.«
    »Wieso können Sie sich daran so gut erinnern?«
    »Ich hatte das Radio an, und nach den Nachrichten brachte der RBB C an’t buy my love von Robert Plant. Das erinnerte mich an den gleichnamigen Beatles-Song. Ich bin Beatles-Fan und ein Fan von Led Zeppelin.«
    Voss blickte einen Moment auf den Boden, als habe er etwas verloren.
    »Kennen Sie den Song?«
    »Nein«, sagte Dengler. »Ich kenne den Song nur von den Beatles.«
    »Robert Plant hat fast ein Punkstück draus gemacht. Sehr gut. Sollten Sie mal hören.«
    »Wenn Ihr Bruder das Mädchen nicht getötet und nicht vergewaltigt hat: Wo hat er das Sperma verloren, das auf und in ihrer Leiche gefunden wurde?«
    »Ich weiß es nicht. Das ist mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel.«
    »Sie haben keine Idee?«
    »Nein. Hören Sie: Mein Bruder ist unschuldig. Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen und – verzeihen Sie, aber die Patienten warten.«
    Plötzlich wirkte dieser selbstsichere Mann unsicher und verletzlich.
    »Wir, also die ganze Familie, wir zählen auf Sie.«
    Dengler drückte ihm die Hand.
    »Ich werde tun, was ich kann«, sagte er.
    ***
    Wie betrunken war Bernhard Voss wirklich gewesen? Diese Frage beschäftigte Dengler auf der Rückfahrt. Nach den Angaben seiner Frau war Voss nahezu bewusstlos gewesen. Was hatte sie gesagt? Dengler zog sein Notizbuch aus der Tasche und blätterte einige Seiten zurück.
    Ordentlich getankt. Hat es nicht mehr unter die Dusche und ins Bett geschafft.
    Von einem Schnaps und einigen Bier? Dengler notierte sich die Frage:
    Was hatte Bernhard Voss wirklich getrunken?
    Andererseits: Bernhard Voss vertrug weniger als sein Bruder, auch das hatte seine Frau ihm gesagt. Vielleicht lag darin die Erklärung dieses Widerspruchs.
    Wenn Voss der Täter war, dann müsste er den Mord an Jasmin Berner nach der Rückkehr von dem Besäufnis mit seinem Bruder begangen haben. Er müsste gewartet haben, bis seine Frau ins Bett gegangen und eingeschlafen war und dann losgezogen sein und Jasmin vergewaltigt und umgebracht haben. Eiskalt und durchgeplant. Christine Leonhard-Voss hatte zu ihm gesagt: »Wenn er die Garagentür geöffnet hätte, ich hätte es hören müssen.«
    Vielleicht stand der Mercedes auf der Straße?
    Im Grunde bestätigen meine Nachforschungen nur die Ermittlungen der Polizei, dachte Dengler. Kein neues Detail. Nichts.
    Er rief auf dem Handy Rüdiger Voss an. Der Arzt klang ungeduldig.
    »Was gibt’s noch?«, fragte er. »Ich bin auf dem Weg zur Visite.«
    »Entschuldigen Sie, nur eine kurze Frage: Als Sie Ihren Bruder abgeliefert haben, stand da dessen Mercedes auf der Straße?«
    Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen in der Leitung.
    »Ich glaube nicht. Aber ich habe darauf nicht geachtet. Wirklich nicht. Weitere Fragen?«
    »Nein.«

[Menü]
22. Ausfahrt
    Am nächsten Morgen trafen sich Georg Dengler und Dr. Lehmann bereits um acht Uhr vor dem kleinen Spezialeingang für Rechtsanwälte des Gefängnisses Moabit. Wieder wurden sie routiniert und gründlich durchsucht, aber diesmal mussten sie ihre Mobiltelefone nicht abgeben. Sie gingen auch nicht durch den verwinkelten Gang in das Innere des Gefängnisses, sondern wurden von zwei Justizbeamten direkt in den Innenhof gebracht. Dort standen bereits ein vergitterter VW Bully älterer Bauart und ein ebenso dunkelblauer ziviler Ford Kombi sowie zwei grüne VW Variant. Drei Justizbeamte standen bei den Fahrzeugen. Alle trugen Dienstwaffen an der Hüfte.
    Kurz danach wurde Bernhard Voss von zwei weiteren Beamten in den Hof geführt. Er war blass, wirkte aber gefasst. Seine beiden Hände

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