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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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schloss. Voss fluchte leise, als sie wieder aufging.
    »Scheißbullen«, sagte der Mann laut, aber zu niemand Bestimmtem im Waggon, und stellte sich dann neben ihn. »Muss man sich mal vorstellen, schlagen einfach diesen Mann zusammen, und jetzt wissen sie nicht, was sie mit dem bewusstlosen Kerl machen sollen. Das sind die wirklichen S-Bahn-Schläger.«
    Er roch schlecht.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte Voss leise.
    »Beruhigen! Ich soll mich beruhigen? Da draußen tobt der reine Bullenfaschismus – und ich soll mich nicht aufregen!«
    Er drehte sich um und rief laut durch die geöffnete S-Bahn-Tür: »Bullenschweine, elende!«
    Die Köpfe der beiden Polizisten flogen herum. Der Dicke schrie etwas, was Voss nicht verstand, und wandte sich wieder dem am Boden liegenden Mann zu. Der Jüngere jedoch sah ihm direkt ins Gesicht. Voss sah in seine aufgerissenen Augen und wusste, dass er ihn erkannt hatte. Der Polizist rannte los. Da schloss sich die Tür.
    ***
    Der jüngere Polizist lief zurück zu Glowalla.
    »Der war da drin.«
    Er zeigte auf die Schlusslichter der S-Bahn, die gerade den Bahnhof verließ.
    »Der ist da drin – der Kinderficker! Er ist in der S-Bahn.«
    »Wir haben hier ein scheißanderes Problem.« Glowalla deutete auf den Mann am Fußboden.
    Sein Kollege lief ein paar Schritte den Bahnsteig entlang, als wolle er zu Fuß die Bahn einholen. Dann lief er wieder zurück.
    »Der war da drin.«
    Wieder deutete er auf die Gleise.
    Glowalla sagte: »Das ist jetzt scheißegal. Wir müssen dieses Weichei wiederbeleben. Mach eine Mund-zu-Mund-Beatmung mit ihm.«
    »Ich? Ich muss das melden. Ruf doch einen Krankenwagen.«
    »Du machst keine Meldung. Wenn der Arsch uns hier anzeigt, dann haben wir mehr Meldungen, als dir lieb ist. Der muss wieder auf die Beine. Der darf sich nicht beschweren. Los runter, Mund-zu-Mund-Beatmung.«
    »Aber der …« Kraftlos wies der Grünschnabel auf die Gleise.
    »Mach, was ich sage! Sonst ist es dein letzter Tag bei der Polizei.«
    Der junge Mann zögerte einen Moment, dann zog er das Handy aus der Tasche …
    ***
    »Wie lange ist das her? Noch keine Minute?«
    Maria rief an. Finn Kommareck sagte »Bleiben Sie dran« und wechselte die Leitung.
    »Maria hier. Voss bewegt sich. Er hat es irgendwie aus dem Ring geschafft. Im Augenblick bewegt er sich Richtung Friedrichstraße.«
    »Ich weiß, er sitzt oder steht in der S5 nach Strausberg Nord. Sorg dafür, dass er am Bahnhof Friedrichstraße festgenommen wird.«
    »Das wird knapp.«
    »Mach Dampf. Die Bahn soll zwischendurch irgendwo halten.«
    »Mach ich.«
    Sie schaltete zu dem Bundespolizisten zurück. Der hatte aufgelegt.
    »Noch einmal Maria hier. Wir haben jetzt genügend Leute, die kurz vor der Friedrichstraße sind. Räumen gerade den Bahnsteig. Die BVG hat den Fahrer angewiesen, nicht weiterzufahren. Er fährt jetzt extrem langsam, um Zeit zu gewinnen. Wir haben ihn dann wohl.«
    »Keine Uniformierten. Ich will keine Geiselnahme provozieren. Dem Voss traue ich das zu.«
    »Verstanden.«
    »Und: gute Arbeit, Maria! Ich komme rüber zur Friedrichstraße.«
    ***
    Etwas stimmte nicht. Die S-Bahn schlich nur noch. Dann stand sie still.
    »Diese Scheißbullen.« Der Mann redete immer noch ohne Unterlass. »Haben Sie gesehen, wie die zu mir rübergeschaut haben? Wird Zeit, dass die Revolution kommt.«
    »Ja, die könnte jetzt helfen«, sagte Voss und musterte den Revolutionär neben ihm skeptisch.
    »Wegen Gleisarbeiten verzögert sich die Einfahrt in den Bahnhof Friedrichstraße«, sagte eine Stimme durch die Lautsprecher.
    Voss spähte durch das Fenster nach vorne. Er sah keine Gleisarbeiten.
    »Scheißbahn«, fluchte der Revolutionär.
    »Nach der Revolution wird sie pünktlich fahren.«
    »Ja, das klingt gut. Ich erleb’ es wahrscheinlich nicht mehr.« Voss antwortete reflexhaft. Sein Kopf arbeitete fieberhaft.
    Jetzt fuhr die Bahn wieder los.
    »Eh, die fährt so langsam, da kann man ja nebenherlaufen und Blumen pflücken …«
    »Wenn es hier Blumen gäbe …«
    »He, das ist gut! Nach der Revolution, Alder, da säen wir hier Blumen.«
    Voss sah nach vorne. Der Bahnsteig näherte sich.
    Etwas stimmte nicht. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff. Der Bahnsteig war fast leer. Zu leer. Nur an den Treppenabgängen standen ein paar jüngere Männer.
    »Wegen unvorhergesehener Bauarbeiten endet der Zug hier. Wir bitten alle Fahrgäste auszusteigen«, sagte die Stimme aus dem Lautsprecher.
    Einige Fahrgäste

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