Die letzte Flucht
Punkte auf ihrem Bildschirm färbten sich gelb als Zeichen, dass Einsatzkräfte auf dem Weg zu den Kontrollstellen waren. Sobald sie dort angekommen waren, würden sie eine Meldung absetzen, die Punkte würden rot eingefärbt, und die Meldung »Einsatzmittel am Punkt eingetroffen« würde erscheinen. Maria Marksteiner saß vor ihrem Bildschirm und sah zu, wie der Ring sich schloss.
Gleichzeitig kamen die Meldungen der Bundespolizei, die jeden ausfahrenden Zug kontrollierte. Die Bahn würde Verspätungen bekommen. Aber hatte sie die nicht sowieso? Streifen patrouillierten auf den Bahnsteigen der S-Bahn.
Nach vierzehn Minuten meldete die Oberkommissarin Marksteiner: »Finn, der Ring ist geschlossen.«
»Sehr gut, danke. Hoffen wir, dass Voss noch drin ist.«
***
Bernhard Voss saß auf dem Bahnsteig auf einer Bank und wartete auf die S-Bahn. Manchmal strich er sich mit der Hand über den Bauch.
Was sollte er tun?
Er zog das Telefon aus der Tasche und wählte eine Nummer.
***
»Er telefoniert. Er ist noch im Bahnhof, auf jeden Fall ist er noch innerhalb des Rings.«
»Mit wem telefoniert er?«
»Moment – mit seiner Frau.«
»Kommst du in das Gespräch rein?«
»Ich schneide mit.«
***
»Ich will nicht zurück ins Gefängnis.«
»Bernhard, um Gottes willen! Jetzt sieht es so aus, als wärst du wirklich schuldig.«
Voss stützte mit der linken Hand seinen Kopf ab. In der anderen hielt er das Handy.
»Christine, ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Du musst dich stellen, Bernhard.«
»Ich habe schreckliche Schmerzen.«
»Bitte, bitte, stell dich der Polizei. Wir werden alles tun, damit du …«
»Gut, ich stelle mich. Aber dann musst du etwas für mich erledigen. Es ist wichtig. Versprichst du mir das?«
»Ich verspreche dir alles. Was soll ich tun?«
»Pass auf, in der Charité liegen zwei … Warte, da kommt Polizei.«
Zwei blau uniformierte Bundespolizisten kamen langsam auf ihn zu. Voss stand auf und drehte sich um. Als sie auf gleicher Höhe waren, wendete er sich ab und nestelte an seinem Schuh. Einer der Polizisten drehte sich um.
In diesem Augenblick fuhr die S5 ein.
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29. Vierter Tag (3)
Ihr Gespräch dauerte nun schon länger als an all den vorhergehenden Tagen. Assmuss konzentrierte sich.
»Wenn ich Ihnen den Namen eines bestimmten Arztes hier aus Berlin nennen würde, könnten Sie mir dann sagen, ob er eine solche Anwendungsbeobachtung für Peterson & Peterson durchführt?«
Assmuss sah Henry verdutzt an: »Nein. Ich bin mit den Details des operativen Geschäfts nicht vertraut. Ich könnte telefonieren, dann …«
»Schon gut. Welche Prämie zahlen Sie einem Arzt, wenn er Ihr Medikament verordnet?«
»Das kommt auf das Medikament an. Der Kickback liegt zwischen drei und acht Prozent.«
»Nehmen wir Ihr Medikament Veclimed.«
»Veclimed? Warten Sie … Wir zahlen ungefähr 50 Euro pro Infusion an den Verordner. Die genauen Zahlen habe ich nicht im Kopf. Bei etwa zehn Infusionen pro Tag kann ein Onkologe damit etwa 100 000 Euro extra machen. Im Jahr.«
»Machen Sie Anwendungsbeobachtungen mit Veclimed?«
»Ja.«
»Mit welchen Medikamenten führen Sie die AWB s durch?«
»Nur mit teuren und neuen Medikamenten. Es ist für uns eine wichtige Maßnahme, um hochpreisige Medikamente im Markt zu platzieren.«
»Wenn ich das richtig sehe, zahlen Sie diese 100 000 Euro von dem Geld, das Ihnen die Krankenkassen überweisen. Also zahlt die Krankenkasse den Kickback, das heißt, letztlich zahlen die Patienten über die Krankenkassenbeiträge die Prämien, die Sie bestimmten Ärzten zukommen lassen.«
»Das kann man so sehen.«
»Und das macht nicht nur Peterson & Peterson so?«
»Natürlich nicht.«
»Beispiele?«
»Nun ja. Nehmen wir zum Beispiel das deutsche Unternehmen Trommsdorff . Dieses Pharmaunternehmen hat bis mindestens 2007 Ärzten Elektrogeräte oder Bargeld geschenkt, wenn diese im Gegenzug den Blutdrucksenker Emestar bzw. Emestar plus verordnet haben. Je mehr Verordnungen, desto größer die Geschenke. Für fünf Patienten gab es einen Flachbildschirm oder einen iPod, für sieben Patienten einen DVD – Recorder, für zwölf einen sehr schönen Jura-Kaffee-Vollautomaten, für vierzehn das Navigationssystem TomTom Go, ab achtzehn dann Laptops, Beamer, Computer mit Drucker, was die Ärzte halt gerade so brauchten.«
»Geben Sie auch elektronische Geräte?«
»Nein. Das ist doch primitiv! Es würdigt den Verordner
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