Die letzte Flucht
Zukunft mehr.«
»Trotzdem machen Sie das?«
»Es wird immer schwieriger. Die Ärzte werden immer kritischer. Sie nehmen immer weniger Geschenke an. Die Klinikleitungen beobachten unsere Tätigkeit zunehmend aufmerksam, manchmal fast feindselig.«
»Trotzdem finden Sie immer noch Leute, die das machen?«
»Referenten verdienen gut. Sie bekommen bei uns einen A6 als Firmenwagen. Sie müssen nicht viel denken, nur fleißigsein. Man kann damit eine Familie ernähren. Es melden sich immer noch mehr als genug Bewerber. Aber sie sind auch ein Kostenfaktor, vergessen Sie das nicht. Überlegen Sie mal: Wir geben pro Referent im Jahr 130 000 Euro aus, also für Gehalt, Wagen, Spesen, Innendienst und so weiter. Das macht 390 Millionen – nur für die Personalkosten in diesem Bereich. Eine Infobroschüre ist davon noch nicht gedruckt. Die Branche gibt etwa 2,5 Milliarden Euro nur für die Referenten aus.«
»Aber wenn es sich nicht lohnen würde, würden Sie das doch nicht machen.«
»Es bleibt immer was hängen. Alle Studien sagen, dass die Ärzte, selbst wenn sie den Pharmareferenten behandeln wie einen Fußabtreter, dann doch unsere Medikamente verordnen – jedenfalls häufiger, als wenn wir nicht ständig in der Praxis stehen würden. Ich habe aber daraus weitgehende Schlussfolgerungen gezogen und unser Marketing verändert. Ich habe …«
»Lassen Sie uns für heute Schluss machen. Es ist spät geworden. Außerdem muss ich nachdenken.«
»Wie lange halten Sie mich hier noch fest?«
»Nicht mehr lange. Machen Sie sich keine Sorgen.«
»Ich sitze hier seit vier Tagen in Gefangenschaft und soll mir keine Sorgen machen.«
Plötzlich schwang Panik in Assmuss’ Stimme mit. Und Resignation.
Ab morgen kann ich das Verschwinden von Assmuss nicht mehr geheim halten
stand plötzlich auf Henrys Bildschirm.
Was soll ich tun? , schrieb er zurück.
Machen Sie mit ihm, was Sie wollen. Mir ist es egal. Lassen Sie ihn laufen oder …
Henry schaltete den Rechner aus.
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39. Tiergartentunnel
Finn Kommareck rannte auf das erste Fahrzeug zu, einen schwarzen Opel.
»Polizei! Bleiben Sie im Wagen.«
Ein älteres Paar sah sie erschrocken durch die Windschutzscheibe an. Sie blickte ins Wageninnere. Niemand sonst. Das nächste Auto kontrollierte Schöttle bereits, darin saß eine junge Frau; aus dem Ford Kombi daneben ließ Maria Marksteiner gerade fünf türkische Arbeiter aussteigen.
Kommareck nahm sich das nächste Auto vor, einen schwarzen Saab mit schwedischem Kennzeichen und einem verwirrten älteren Fahrer. Fahrzeug für Fahrzeug kontrollierten sie sich nach vorne. Einige Fahrer waren ausgestiegen. Die Stimmung war gereizt.
»In die Fahrzeuge«, schrie Finn Kommareck. »Alle in die Fahrzeuge. Dies ist eine Polizeiaktion.«
Sie hob die Hand mit der Dienstwaffe in die Luft, und sofort verschwanden die Leute in ihren Autos.
Ein junger Mann in einem schwarzen Anzug kam zwischen den Wagen auf sie zugerannt.
»Mein Name ist Schneider«, sagte er atemlos. »Ich bin der persönliche Referent von Ministerin Schröder. Wir stehen dort hinten im Stau. Wir müssen aber dringend …«
»Sie warten«, sagte Kommareck mit scharfem, ungeduldigem Unterton. »Gehen Sie zurück zu Ihrem Fahrzeug. Dies ist eine Polizeiaktion.«
»Aber wir haben einen Termin um …«
»Wenn Sie bei drei noch hier sind, nehme ich Sie fest.«
»Hören Sie, so können Sie nicht …«
»Eins.«
»Da ist eine Ministerin, die dringend …«
»Zwei.«
»Ich an Ihrer Stelle würde jetzt doch wegrennen. GlaubenSie mir: Sie wollen nicht wirklich, dass sie richtig böse wird. Dann geht hier nämlich die Post ab.« Schöttle war hinzugekommen und sprach den Mann mit vorgehaltener Hand und jovialem Tonfall an, wobei er die Dringlichkeit seiner Empfehlung allerdings damit unterstrich, dass er demonstrativ die Handschellen von seinem Gürtel zu lösen begann.
Da drehte sich der Mann im schwarzen Anzug um und rannte zurück zu seiner Ministerin. Finn musste lächeln, fing sich jedoch sofort wieder.
»Einsatzleitung an Helikopter – Sie können wieder starten. Wir lassen die bereits kontrollierten Fahrzeuge aus dem Tunnel rausfahren.«
»Verstanden«, sagte der Pilot, und kurz danach hob sich der Helikopter in den Berliner Abendhimmel, und die ersten Autos fuhren wieder aus dem Tunnel.
»Gibt es noch Kontakt zu Voss’ Handy?«
»Ja. Er ist noch im Tiergartentunnel«, meldete Dahlheimer aus der Zentrale.
»Ich brauch noch jemanden von
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