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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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warte … du hast recht. Als ich ihn unten im Keller das letzte Mal sah, waren die roten Mappen verschwunden.«
    »Dann hat er sie dort unten irgendwo versteckt.«
    »Oder jemandem übergeben.«
    »Was wirst du tun?«
    »Ich werde seine Sekretärin fragen. Und dann werde ich unten im Keller suchen.«
    »Sei vorsichtig.«
    »Das ist nicht riskant, Olga.«
    In diesem Augenblick klingelte sein Handy.
    Dengler nahm ab.
    »GeorgbistduendlichdranhörstdumichdumusstjetztwasmachenjetztbistdumaldranalldieJahrehabeichdasalleingemachtaberjetztmusstduranichhabedieganzenachtmitihmgeredetabererhörtnichtzujetztwirdeszeitdassduauchmalverwantwortungübernimmst.«
    Die Stimme klang, als habe sie jemand um zwei Oktaven höher gedreht.
    Er deckte das Handy mit einer Hand ab und flüsterte Olga zu: »Meine Ex-Frau.«
    Olga verdrehte die Augen. Dengler nahm das Handy wieder ans Ohr.
    »Dukannstnichtimmervonallemweglaufenjetztmusstduauchmalverantwortungübernehmenichhabedieganzenachtversuchtihndavonabzubringenabererhörtnichtaufmichjetztseiduauchendlichmalda.«
    Dengler erinnerte sich, wann er zuletzt vor dieser Stimme geflohen war.
    Sie ist betrunken, dachte er und legte auf.
    Sofort klingelte es erneut.
    »Ichhabdieganzenachtmitihmgeredetichhabangstdassesgefährlichwirdduweißtdochambestenwiediebullendraufsindindieserzeitunderwarnochnieaufeinerdemowennichnichtarbeitenmüsstewürdeichjaselbermitgehenaberichkannnichtdumusstdichjetztendlichauchmalkümmernschließlichistesjauchdeinsohnjakobistauchdeinkind.«
    »Jakob? Was ist mit Jakob?«
    »Er will morgen auf eine Schülerdemo. In seiner Klasse streiken sie. Ich habe Angst, dass ihm etwas passiert.«
    »Sie streiken?«
    »Gegen Stuttgart 21. Dein Sohn sitzt in seinem Zimmer und malt ein Plakat ›Bildung statt Scheiß-Bahnhof‹.«
    »Er sollte nicht ›Scheiß‹ auf das Plakat schreiben.«
    »Er sollte da überhaupt nicht hingehen. Aberaufmichhörterjanichtmehrundichweißauchgarnichtmehrwasichnochsagensollundjetztmussteinmalauchduverwantwortungübernehmenalldiejahrehabeichallein …«
    »Ich bin da. Mach dir keine Sorgen. Wann …«
    »Sie haben vor, morgen den ganzen Tag zu streiken und zu demonstrieren.«
    »Wann?«
    »Um zehn Uhr.«
    »Wo?«
    »Lautenschlagerstraße. Am Bahnhof.«
    »Ich werde dort sein. Mach dir keine Sorgen.«
    Dann legte er auf.
    Er erklärte Olga die Lage. Sie war nicht erfreut.
    »Was wirst du tun?«
    »Ich gehe jetzt in die Charité, rede mit der Sekretärin, schaue nach diesen ominösen Mappen, fahre am Abend nach Stuttgart, bewache morgen Vormittag meinen Sohn, und abends bin ich wieder in Berlin.«
    »Ich begleite dich in die Charité.«
    Dengler strahlte sie an. War sie nicht wunderbar?
    In diesem Augenblick setzte sich eine Frau an ihren Tisch.
    »Olga – in Stuttgart treffen wir uns nie. Aber hier! Wie schön.«
    Die beiden Frauen lagen sich in den Armen.
    »Das ist Marta. Wir kennen uns schon … Ja, wirklich lange. Marta, das ist Georg, mein Mann.«
    Dengler hatte nicht viel Zeit, stolz zu sein – »mein Mann« hatte sie ihn noch nie genannt –, da nahm Marta bereits seine Hand und drückte sie so fest, dass er einen unterdrückten Schrei ausstieß.
    »Himmel! Machen Sie Kraftsport?«, fragte er und rieb sich die Hand.
    »So etwas Ähnliches«, sagte Marta, und die beiden Frauen lachten laut, fröhlich und sehr vertraut.
    Olga musste es eigentlich nicht mehr sagen, er wusste es schon.
    »Sorry, jetzt musst du allein in die Charité.«
    ***
    Die Kamera schoss eine Serie.
    »Er steht da und rührt sich nicht«, sagte der Polizist auf dem Dach.
    Sein Kollege fotografierte weiter.
    »Er schaut hinüber zum Haupteingang.«
    Finn Kommareck sah sich die Fotos an, welche die Kamera direkt auf den Bildschirm in ihrem Lagezentrum gesendet hatte.
    »Schnell, zivile Einsatzkräfte auf die andere Seite der Straße.«
    »Sind unterwegs«, sagte Maria Marksteiner.
    »Jetzt ist er weg.«
    »Was heißt weg?«, brüllte Kommareck.
    »Er ist um die Ecke verschwunden. Unsere Leute sehen ihn nicht mehr.«
    »Der kommt zurück«, sagte Finn Kommareck. »Ich möchte mal wissen, was der noch in dem Krankenhaus zu suchen hat. Sind eigentlich Voss’ Frau und sein Bruder schon hier?«
    »Sind unterwegs. Wir haben sie mit einem Streifenwagen abholen lassen. Erst den Bruder, dann die Frau.«
    ***
    Dengler ging die Kantstraße hinauf.
    Er winkte einem Taxi.
    »Zur Charité, bitte.«
    ***
    »Ich habe Sie kommen lassen, um mit Ihnen über Ihren Mann beziehungsweise Ihren

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