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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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kann man nicht so pauschal sagen.«
    »Dann sag mir mal, wie man das anders nennen soll: Auf dem Stuttgart-21-Gelände baut für 500 Millionen der Immobilienkonzern ECE ein gigantisches Einkaufszentrum. Und wer sitzt in Gremien dieser Firma? Ich zähl es mal auf: Wolfgang Schuster, der Oberbürgermeister, Tanja Gönner, die Verkehrsministerin, außerdem die Lebensgefährtin des früheren Ministerpräsidenten. Im Beirat der Firma Wolff und Müller, die den Nordflügel des Bahnhofs abgerissen hat und die ganz ohne Ironie den Slogan verwendet: ›Mit uns die Zukunft bauen‹, saß der Erste Bürgermeister Stuttgarts. Jetzt mal ehrlich: Wie nennst du das, wenn nicht Korruption?«
    Dengler wusste nicht, was er sagen sollte.
    »Weißt du«, sagte Jakob nachdenklich, »wenn die Schwaben ›Lügenpack‹ rufen, dann tun sie das nicht leichtfertig. In diesem Fall ist es eher das Ergebnis von Erfahrung und Analyse.Es ist die Feststellung eines Sachverhalts. Das ist ein Lügenpack.«
    ***
    »Ich verstehe nicht, warum ihr so fanatisch gegen diesen Bahnhof seid«, sagte Dengler am Abend zu Martin Klein. »Ich meine, es ist nur ein Bahnhof. Und die Stadt steht Kopf. Warum?«
    Martin Klein rückte seine Brille zurecht und sah Dengler an.
    »Mit Stuttgart 21 chaotisiert die Bahn AG die Stadt. Von den bisherigen sechzehn Gleisen sollen noch acht bestehen bleiben. Und die sollen für 4,5 Milliarden Euro unter die Erde gebracht werden. Acht Gleise, damit wäre der Stuttgarter Bahnhof dann so groß wie der von Ulm. Aber er hat ein Vielfaches an Zugverkehr zu bewältigen. Kurzum: Dieser geplante Bahnhof funktioniert nicht. Er chaotisiert den Bahnknoten Stuttgart.«
    »Martin, ich bitte dich. Warum sollte ausgerechnet die Bahn den Stuttgarter Verkehrsknoten … wie sagst du?«
    »Chaotisieren?«
    »Ja. Warum sollte das die Bahn machen? Die wollen doch wohl, dass die Züge reibungslos laufen. Das macht doch keinen Sinn.«
    »Die Ingenieure der Bahn wissen das genau. Was glaubst du, woher die Stuttgart-21-Gegner ihre Insiderinformationen haben?«
    »Sorry, Martin. Ich kann das einfach nicht glauben.«
    »Na, Georg, denk mal nach, der kleinere Mannheimer Bahnhof hat zehn Gleise. Karlsruhe, auch weniger Verkehr, hat sechzehn. Selbst Freiburg hat dann eine größere Kapazität als der geplante Stuttgarter Bahnhof. Stuttgart 21 ist daher, wie die Fachleute das sagen, ein Rückbau der Infrastruktur. Es wird keine Freude mehr sein, nach Stuttgart zu reisen oder von hier aus die Bahn zu benutzen.«
    »Martin, mal angenommen, du hast recht: Warum, um Gottes willen, soll die Bahn Stuttgart chaotisieren?«
    »Wegen dem Geld. Die Bahn hat auch Berlin wegen Geld chaotisiert. Die haben da nur wenig Hemmungen. Die Berliner Verkehrsbetriebe mussten Geld an den Mutterkonzern, also an die Bahn AG, überweisen, als diese schon lange nichts mehr in Berlin investiert hat und das Berliner Verkehrschaos offenen Auges angerichtet hatte.«
    »Sorry, aber das passt doch auf Stuttgart nicht. Hier investiert die Bahn doch.«
    »Nein. Die Bahn verdient. Das Bauen selbst, die Streckenführung und so weiter sind Bundesangelegenheiten. Das bezahlt der Bund. Also, das zahlen du und ich in unserer Eigenschaft als Steuerzahler. Die Bahn bekommt von der Bausumme 15 Prozent für die Planung der Arbeiten. Deshalb verdient die Bahn umso mehr, je teurer die Projekte sind. Sie hat immer die 15 Prozent im Auge. 4,5 Milliarden für den Bahnhof sind ein prima Geschäft für die Bahn.«
    »Aber du sagst doch, dass der Bahnhof nach rein verkehrstechnischen Gesichtspunkten nicht funktioniert.«
    »Nun, das wird so kommen, aber dann ist keiner mehr vom heutigen Bahnvorstand im Amt. Jeder, der heute für dieses Projekt verantwortlich ist, verzehrt dann die Rente.«
    »Also Martin, du meinst, diese Leute sind so …«
    »Du meinst: unverantwortlich?«
    »Ja.«
    »Das sind sie. Wenn man es höflich ausdrückt.«
    »Ich kann mir nicht denken, dass Leute in solchen Positionen nur ans kurzfristige Geld denken.«
    »Etwas anderes haben sie nicht gelernt, Georg. Was glaubst du denn? Ein Beispiel: Warum gibt es bei der Bahn so viele Tunnels? Und warum wollen sie auf der Strecke nach Ulm über sechzig Kilometer Tunnels bauen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Tunnels sind teuer zu bauen und billig zu planen. Ein Bombengeschäft für die Bahn. Da kann man ruhig schon mal ein paar Schüler von der Polizei verprügeln lassen, oder? Glaub mir: Die Deutsche Bahn AG ist ein durch und durch verdorbener

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