Die letzte Flucht
Konzern.«
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51. Nur Mut
»Nur Mut«, sagte Maria Marksteiner und schob Finn Kommareck durch die breite Holztür in die Praxis von Dr. Rapp.
Finn lächelte unsicher.
»Das ist ein guter Arzt«, sagte Maria. »Ich kenne ihn, seit ich ein Kind war. Und er hat alles für meinen Vater getan.«
»Hallo, Frau Marksteiner«, sagte die Sprechstundenhilfe hinter dem Empfangstresen. »Heute Morgen habe ich Sie auf dem Bahnhof in Potsdam gesehen. Ich habe Ihnen gewunken, aber Sie haben mich nicht gesehen. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bringe Ihnen eine neue Patientin«, sagte Maria und schob Finn vor den Tresen.
Wie ein Wächter saß sie später im Wartezimmer neben ihrer Chefin.
Dr. Rapp war um die sechzig Jahre alt, ein kleiner, freundlicher Mann mit grauen Haaren und einer wuchtigen schwarzen Brille. Er nahm sich viel Zeit, fragte Finn nach ihren bisherigen Krankheiten, nach ihrem Beruf, machte sich Notizen.
»Wir müssen eine Darmspiegelung machen, und zwar dringend«, sagte er zwanzig Minuten später. »Wir machen schnell einen Termin. Es ist wirklich wichtig.«
***
»Wenn du willst, komm ich wieder mit, zur Spiegelung und wenn du die Ergebnisse abholst«, sagte Maria, als sie zurück ins Präsidium fuhren.
Finn knurrte etwas, was weder nach Zustimmung noch nach Ablehnung klang.
»Ich weiß, es war gegen deine Grundsätze, dass ich mich in dein Privatleben eingemischt habe. Sorry.«
»Schließlich sind wir hier nicht sonntagabends im Tatort«, sagten beide gleichzeitig und lachten.
»Die werden schon nichts finden.«
»Sag mal, darf ich mal fragen, was du eigentlich heute Morgen in Potsdam gemacht hast? Du wohnst doch in Friedrichshain.«
»Ich habe da jemanden getroffen«, sagte Maria.
»Ok. Geht mich nichts an.«
»Er ist verheiratet.«
»Was?«
»Er ist verheiratet. Der Mann, den ich da treffe, ist verheiratet. Wir kennen uns schon seit drei Jahren. Er arbeitet in Potsdam, und am Wochenende fährt er zu seiner Familie nach Hause. Er wohnt in Andernach.«
»Wo ist denn das?«
»Irgendwo am Rhein. Er hat zwei Kinder.«
Sie schwiegen.
Wie lange arbeiteten sie nun schon zusammen?
Die schöne Maria. Sie könnte jeden haben.
»Wie geht’s dir damit?«, fragte Finn.
Maria sah sie an und strahlte.
»Ich bin glücklich«, sagte Maria. »Ich bin mit dem Mann zusammen, den ich liebe. Ich liebe meine Arbeit. Ich bin froh, mit dir zu arbeiten. Ich bin ein glücklicher Mensch.«
Sechs Jahre! Seit sechs Jahren waren sie ein Team, dachte Finn Kommareck. Mehr noch: Maria stand ihr von allen Kollegen am nächsten. Und sie wusste nichts von ihr.
»Guckst du mich jetzt schräg an?«
Finn schüttelte den Kopf.
»Das Leben ist so verschieden. So … unterschiedlich. Ich denke gerade darüber nach, wie wenig ich davon verstehe.«
Sie schwiegen.
»Es war gut, dass du heute dabei warst«, sagte Finn.
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52. Mappus weg
»Oben bleiben, oben bleiben«, riefen die Demonstranten.
»Der Tiefbahnhof ist ein Milliardengrab«, stand auf einem Transparent.
»Mappus weg! Mappus weg!«
»Der wird abgewählt bei der Wahl im März«, sagte Martin Klein.
»Kein Bundesland hat einen so schlimmen Ministerpräsidenten wie wir«, sagte Mario.
Eine Rednerin verlangte, dass die Landesregierung sich für den übermäßigen Polizeieinsatz entschuldigen solle. Der Ministerpräsident hatte erklären lassen, er habe keinen Einfluss auf die Arbeit der Polizei genommen.
»Lügenpack«, skandierten Zehntausende.
Der Polizeipräsident Siegfried Scharf übernahm die alleinige Verantwortung für den Einsatz. Einflussnahme des Ministerpräsidenten habe es nicht gegeben. Besprechungen aber schon.
»Lügenpack, Lügenpack.«
»Die Landtagswahlen werden entscheiden, wie es weitergeht mit Stuttgart 21«, sagte Martin Klein.
»Diese Latsch-Demos bringen nix«, sagte Mario. »Wir müssen endlich die Baustellen blockieren.«
»Mario, das schadet uns nur. Guck doch mal, wie viele ganznormale Leute hier sind. Damen in Pelzmänteln. Architekten, die mit dem Cayenne zur Demo fahren. Guck mal, wie viele Daimler mit Aufklebern gegen Stuttgart 21 durch die Stadt fahren. Die haben früher CDU gewählt, und vielleicht machen sie es immer noch. Die schreckst du mit Blockaden ab.«
Der Demonstrationszug war vom Bahnhof durch die Stadt gezogen. Jetzt versammelte sich eine unübersehbare Menge auf dem Schlossplatz. Junge Leute standen an der Ecke, an der die Bolzstraße auf den großen Platz mündete, und registrierten mit
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