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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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haben jede Menge freier Kojen. Ich schätze, es sind nur ungefähr die Hälfte der versprochenen Teilnehmer erschienen, obwohl Woods Hole sein Bestes getan hat.«
    »Aber Thandie ist da?«

    Gary grinste. »Die hätte man nicht mal mit Gewalt fernhalten können.«
    »Das hier ist doch ein Woods-Hole-Schiff, oder?«
    »Ja.« Gary versetzte einer rostigen Deckplatte einen Tritt. »War im Zweiten Weltkrieg ein Bergungsschiff. Zittert wie ein Alkoholiker auf Entzug. Aber ich denke, es ist seit achtzig Jahren nicht gesunken, da wird es jetzt auch nicht untergehen.«
    »Wollen wir’s hoffen.«
    Die Wissenschaftler wanderten einer nach dem anderen ab, um mit der Arbeit zu beginnen. Garys Laptop verlangte piepsend nach seiner Aufmerksamkeit, als Daten von den diversen Teams an Bord des Schiffes hereinkamen.
    Die schmale Meerenge des Bosporus war die einzige Verbindung zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marmarameer, das seinerseits durch die Dardanellen mit dem Mittelmeer verbunden war, welches wiederum bei Gibraltar den Atlantik küsste. Der Bosporus war also der einzige Weg, auf dem das steigende Weltmeer das Schwarze Meer erreichen konnte.
    Jahrtausendelang war das Schwarze Meer ein Süßwassersee gewesen, der von mehreren großen Flüssen gespeist wurde und ins Marmarameer ablief. Doch unter dem Süßwasserausfluss des Bosporus hatte es immer eine gegenläufige Salzwassertiefenströmung nordwärts vom Marmarameer ins Schwarze Meer gegeben. Seit der Antike hatten Steuermänner sich das zunutze gemacht; man konnte einen Eimer voller Steine in die Tiefe hinablassen und sich gegen die Oberflächenströmung ziehen lassen. Der Salzwasserstrom war ein Überbleibsel der nacheiszeitlichen Flut, bei
der das eingedeichte und halb ausgetrocknete Schwarze Meer auf katastrophale Weise aus dem steigenden Marmarameer aufgefüllt worden war. Jetzt stiegen die Ozeane erneut, und die salzige Tiefenströmung war viel stärker als zuvor. Gary nahm an, dass sie den Oberflächenstrom irgendwann vollständig überwältigen würde, so dass der Bosporus ein Salzwasseraquädukt wurde und das Becken des Schwarzen Meeres füllte.
    Von dort jedoch, vom Schwarzen Meer, konnte das steigende Wasser nirgendwohin - jedenfalls bisher noch nicht. Die Erwartung, dass sich das in Kürze ändern würde, war das Hauptmotiv für diese Expedition.
    In Garys Laptop ertönte ein weiteres Glockenzeichen. Zeit für ihn, selbst an die Arbeit zu gehen. Er spulte eine Kette mit unterschiedlichen Messgeräten ab und ließ sie ins Wasser; das Schiff würde sie an der Steuerbordflanke hinter sich herziehen, so dass sie weit genug von den Schrauben entfernt war.
    Sanjay betrachtete die Geräterolle prüfend. Unter anderem waren mehr als hundert Thermometer daran angebracht. »Zur Messung der Temperaturunterschiede im Verlauf der Thermokline?«, fragte er.
    »Genau. Der Bosporus muss einer der am gründlichsten erforschten Wasserwege der Welt sein. Und dennoch hat sich so viel verändert, dass wir kaum etwas über seinen momentanen Zustand wissen. Jedes Mal, wenn man eine Messung vornimmt, ist es eine Entdeckung … Also, woher kommst du gerade?«
    »Aus Australien.«
    »Und wie sieht’s da aus?«

    Sanjay zuckte mit den Achseln. Der Mundschutz verbarg seine Miene. »Die Küsten sind natürlich vom Meer bedeckt. Die Bewohner der Großstädte, besonders an der Ostküste, von Melbourne bis Brisbane, fliehen ins Landesinnere. Zeltstädte in der Great Dividing Range. Am interessantesten war aber, wie das Meer von Südosten aus ins Landesinnere vorgedrungen ist, den Spencer- und Saint-Vincent-Golf hinauf. Das Murray River Basin steht weitgehend unter Wasser, und das Meer ist zu einem See namens Lake Eyre durchgebrochen, der sogar noch unter dem alten Meeresspiegel lag.«
    »In Australien hat’s also auch so ein Auffüllereignis gegeben.«
    »Flüchtlinge aus Bondi Beach haben versucht, auf den einlaufenden Wellen zu surfen. Idioten.« Sanjay lachte. »Ansonsten ist es so, wie man’s erwarten würde. Trockene Regionen werden trockener, feuchte Regionen feuchter. Grob über den Daumen gepeilt, würde ich sagen, mit der Landwirtschaft in Australien ist es vorbei. Sie sind jetzt vollständig von Nahrungsmittelimporten abhängig, sofern es welche gibt, und die Rationierung ist extrem streng. Aber die australischen Ureinwohner sind weg.«
    »Die Aborigines? Was meinst du mit ›weg‹?«
    »Sie haben stets die Erinnerung daran bewahrt, wie man im roten Herzen des Kontinents leben

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