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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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könnte, wenn es nicht als Brennstoff verwendet würde. Zuckerrohr und Mais für Ethanol, Raps oder Soja für Biodiesel. Bei diesen Produkten ist Diebstahl das Hauptproblem. Damit können wir fertigwerden, aber Nathan ist ungehalten über die Verluste. Deshalb hat er Anweisung gegeben, auf diese Pflanzen hier umzusteigen.«
    »Was ist das?«
    »Jatropha. Kommt aus Afrika, aus Ländern wie Tansania oder Mali. Bevorzugt warmes, trockenes Klima. Ein bisschen Gentech, und sie gedeiht hier prima.«
    »Und Nathan zieht sie vor, weil...?«
    »Weil das Öl, das man aus ihr gewinnt, giftig ist. Man kann sie als Energiepflanze verwenden, aber nicht essen. Es hat also keinen Zweck, sie zu klauen.«

    »Verstehe.« Lily warf einen Blick auf die Hütten am Feldrand, die runden Gesichter der Kinder. »Aber wenn man eine Mutter ist, die ihre Kinder zu ernähren versucht …«
    »Du siehst das Problem.«
    »Und jetzt ist es zu dem hier gekommen.«
    Benj war nun zweiundzwanzig. Inzwischen war er sogar größer als Piers Michaelmas. Er würde nie gut aussehen, ihm fehlten die feinen Züge seiner Mutter, aber er wirkte tüchtig und freundlich, fand Lily. Der ehemals in sich gekehrte, in technische Spielereien vernarrte Junge aus London war überhaupt nicht wiederzuerkennen, obwohl er schon immer eine Menge gesunden Menschenverstand an den Tag gelegt hatte, wenn es nötig gewesen war - zum Beispiel damals in Greenwich -, und auch eine Menge Mitgefühl. Mit seiner Arbeit hier in den Slums von Pizarroville, Project Citys nicht anerkanntem, unwillkommenem Doppelgänger, hatte Benj eine Rolle gefunden, die zu ihm passte.
    Trotz Lammocksons Prahlerei entsprach Project City weitgehend dem üblichen Standard einer reichen Grünen Zone, die von einer Hüttensiedlung umgeben war. Der Slum war planlos gewachsen wie alle Slums, nahm Lily an, geronnen aus den gewaltigen Flüchtlingsströmen, die von Lima und den anderen Küstenstädten heraufkamen. Dennoch herrschte hier eine gewisse Ordnung. Sobald Lammockson klar geworden war, dass P-ville nicht wieder verschwinden würde, dass der Flüchtlingsstrom die Täler herauf nach Cusco noch lange anhalten würde, hatte er getan, was er immer tat, und der Realität seine Vision aufgezwungen. Wenn dieser Slum schon auf seiner Türschwelle existieren musste, würde es ein geplanter Slum mit einem Nachhaltigkeitskonzept sein. Sonst
würde er sich nur zu einem Hinterland des Hungers, der Krankheit und der Krawalle entwickeln.
    Folglich gab es nun eine primitive kommunale Wasserversorgung, rudimentäre Sozialhilfe und medizinische Betreuung; Wachleute von AxysCorp und Freiwillige aus P-ville übernahmen Polizeiaufgaben. Es gab sogar so etwas wie eine Ökonomie, da die Hüttensiedlung als Pool billiger Arbeitskräfte für Project City diente. Überdies mietete AxysCorp auf den Hüttendächern Platz für Solarpaneele und bezahlte für Abwasser, das auf den Agrarflächen Verwendung fand - ein symbolischer Obolus für das einzige, klägliche Ausfuhrgut des Slums. Mit der Zeit bildete sich auch eine Art interner Ökonomie heraus, genährt von den versunkenen Überresten der Tieflandstädte. Menschen marschierten Hunderte von Kilometern, um Bergungsgut zu ergattern, sogar bis zu den höher gelegenen Vororten von Lima, einer Megacity, die sich in eine Unterwasser-Müllhalde verwandelt hatte.
    Und in seinem kühnsten intellektuellen Streich hatte Lammockson den Slum in Sektoren aufgeteilt und die Bodenfläche dabei ungefähr gedrittelt. Der Silberne Sektor war »Wohngebiet«, der Kern des Slums. Das Orangefarbene Drittel sollte wild bleiben. Und das Grüne Drittel war der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten. Dahinter stand der Gedanke, den Ort zukunftsfähig zu machen. Doch es herrschte eine immerwährende Spannung zwischen dem Bedürfnis nach einfachem Wohnraum und der Notwendigkeit, Platz für den Anbau von Feldfrüchten zu schaffen. Lily hatte festgestellt, dass es den Menschen offenbar schwerfiel, Lammocksons auf sie gemünzte Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.

    Man nahm an, dass hier eine Million Menschen lebten, größtenteils Restbestände jener acht Millionen, die früher einmal Lima bevölkert hatten - eine Zahl, die ständig wuchs, so stark war der permanente Zustrom und so hoch die explosive Geburtenrate. Die Einwohnerzahlen in Project City selbst sanken jedoch, seit Lammockson eine energische Kampagne zur Verhinderung unnötiger Vermehrung durchführte. P-ville war ein fruchtbarer Slum, der ein

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