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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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kam allein, obwohl Gary vermutete, dass in den dichter werdenden Schatten draußen ein oder zwei Leibwächter warteten. Thandie stand auf, um ihm die Hand zu schütteln.
    Der Seminole war kleiner, als man annehmen würde, dachte Gary. Er trug ein schlichtes Hemd und eine ebenso schlichte Hose aus robustem Synthetikmaterial. Lone Elk war ungefähr sechzig Jahre alt, mit dunkler, aber nicht verwitterter Haut und kurz geschnittenem, grau meliertem Haar. Er sah eher wie ein hispanoamerikanischer Geschäftsmann aus als ein Stammesführer.
    Michael brachte ihnen allen frischen Kaffee. Lone Elk nippte an seiner Tasse, wahrscheinlich aus Höflichkeit; die Älteren waren Besseres gewohnt. Er und Thandie machten eine Weile Smalltalk. Thandie sprach von ihrem Werdegang, skizzierte ihre berufliche Laufbahn vor der Flut und umriss ihre seitherige Arbeit als Augenzeugin ausgewählter Ereignisse in aller Welt. Sie taxierten einander, wie Gary bemerkte.
    »Verzeihen Sie, wenn ich ein bisschen um den heißen Brei herumrede«, sagte Lone Elk schließlich. »Eigentlich ist das nicht meine Art. Im Allgemeinen mache ich nicht gern viele Worte, sondern komme gleich zur Sache.« Er sprach mit einem singenden Bostoner Akzent.

    »Die Angewohnheit eines Geschäftsmannes.«
    »Aber ich weiß, dass ich mir aufmerksam anhören muss, was Sie mir zu sagen haben. Ich habe ein kleines Vermögen in staatlichem Ersatzgeld ausgegeben, um Sie herzuholen, weil Sie so ziemlich die Beste auf Ihrem Gebiet sind - sagt Gary. Wir leben in einer Welt der Lügen, der Verleugnung, der vorsätzlichen Ignoranz. Mein Problem ist, dass ich das, was Sie mir erzählen, nicht nur anhand des Inhalts Ihrer Worte, sondern auch anhand Ihrer Person beurteilen muss.«
    »Nehmen Sie mich so, wie ich bin«, sagte Thandie förmlich, und Gary spürte, dass sie kurz davor war, beleidigt zu sein.
    »Oh, das werde ich.« Lone Elk lehnte sich zurück. »Aber ich frage mich, was Sie von mir halten. Sie haben die Welt gesehen. Haben Sie damit gerechnet, dass Sie nach Amerika heimkommen und Ihren Freund Gary in einem Lager antreffen würden, das von einem Indianer geleitet wird?«
    Gary war überrascht gewesen, dass Lone Elk und seine Leute diesen Begriff bevorzugten.
    Thandie zuckte mit den Achseln. »Warum hätte ich nicht damit rechnen sollen? Heutzutage ist doch alles völlig durcheinander.«
    »Mein Volk hat im Osten gelebt, in Florida. Wir gehörten zu den Ersten in Nordamerika, die mit den europäischen Siedlern konfrontiert waren - keine erfreuliche Erfahrung, wie Sie sich vorstellen können. Wir wurden in den Everglades gejagt, bis wir fast ausgerottet waren. Aber wir haben die Vertreibung, die Seuchen, die versuchten Völkermorde, die generationenlange Diskriminierung überlebt. Dann, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, geschah ein Wunder.
Das Glücksspiel machte uns reich - enorm reich. Das Geld verlieh uns Macht. Wir kauften unsere heiligen Stätten zurück, die bereits zur ruinösen Ausbeutung durch den einen oder anderen Konzern ausersehen gewesen waren, und begannen mit einem Projekt zur Wiederbelebung unserer Sprache. Bei anderen Stämmen im ganzen Land war es genauso. Es gab neuartige Spannungen zwischen uns und den Weißen, aber auch unter uns selbst, unseren verschiedenen Nationen. Doch ich glaube, wir waren auf dem Weg zu einem neuen Gleichgewicht - zu einer Lebensweise, die einer neuen Zeit entsprach.«
    »Und dann kam die Flut«, warf Thandie ein.
    »Dann kam die Flut. Erneut gehörten wir zu den ersten Betroffenen, den Ersten, die umsiedeln mussten, den Ersten, die ihr Leben verloren. Aber Geld ist immer noch nützlich, nicht wahr? Gott hat mir Weisheit geschenkt, glaube ich, und das Geld hat mir die Macht verliehen, alles Erforderliche zu kaufen. Land. Zelte. Mobile Toiletten.« Er grinste. »Früher habe ich Musikfestivals veranstaltet. Ich weiß, wie man Tausende von Menschen auf einem Feld beherbergt. Das hier ist nichts anderes. Ein Woodstock der Flut. Hier sind wir also nun. Wir überleben, während andere alles verloren haben oder ertrunken sind, weil sie nicht entscheidungsfreudig genug waren. Und jetzt muss ich wieder entscheidungsfreudig sein.«
    »Ja.«
    »Viele aus meiner Familie glauben, dass die Weißen an dieser Flut schuld sind - wären sie zu Hause geblieben, wäre das alles nicht passiert. Stimmen Sie dem zu? Glauben Sie, dass diese Katastrophe menschengemacht ist?«

    Thandie sah ihn an. Dann sagte sie: »Es gibt nach wie vor keinen konkreten

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