Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Great Plains - North und South Dakota, Montana, Wyoming - war größer als Frankreich, Deutschland und die Niederlande zusammen, hatte aber vor der Ankunft der Flüchtlinge nicht einmal
drei Millionen Menschen beherbergt. Darum bemühte sich die Regierung, über die unmittelbaren Erfordernisse hinauszublicken, und arbeitete an einem umfangreichen Bau- und Umsiedlungsprojekt. Sie hatte Berater des beim Außenministerium angesiedelten Büros für Wiederaufbau und Stabilisierung zurückgerufen, die mehrere Jahrzehnte lang Erfahrungen im Wiederaufbau infolge von Naturkatastrophen oder Kriegen erworben hatten. Jetzt holte man dieses Fachwissen heim und mobilisierte Ressourcen aus den Überresten des öffentlichen und privaten Sektors. In den nächsten paar Jahren würden komplette neue Städte auf den Plains entstehen - mit dem landwirtschaftlichen und industriellen Umland, das sie ernährte.
»Das ist ein fantastisches Projekt«, sagte Thandie. »Wie ein Terraformierungs-Intensivprogramm.«
»Und ein Haufen Konzerne werden sich die Taschen mit einem Haufen Geld füllen«, fügte Michael hinzu.
»Ja, das ist wahr. Aber zumindest ist es visionär.«
Lone Elk nickte. »Aber was wird in nächster Zeit aus Texas? Aus uns?«
Thandie zeichnete mit dem Finger einen Umriss auf der Karte nach. »Momentan wird die Lage entlang einer Linie bedrohlich, die südlich durch Dallas-Fort Worth, Waco, Temple und Austin nach San Antonio verläuft. Ziemlich bald werden all diese Menschen umziehen müssen. Zwei Millionen in San Antonio, fast eine Million in Austin. Im Stadtgebiet von Dallas-Fort Worth, der viertgrößten Metropolregion in den Staaten, leben sechs Millionen …«
»All diese Menschen. Und sie kommen hierher.«
»Darauf können Sie wetten.«
Lone Elk lächelte. »Ich spiele nicht, ich streiche nur die Gewinne ein. Wie ich gehört habe, erwägt die Regierung bereits, Land im Panhandle zu beschlagnahmen, um mit den erwarteten Flüchtlingen fertigzuwerden. Sie wollen auch das Militär hinzuziehen.«
»Davon habe ich auch gehört.«
»Nun, die Bundesbehörden werden halb Dallas bei uns abladen. Sie werden diesen Ort in einen Slum verwandeln. Und anschließend werden wir von weiteren Flüchtlingsscharen überrannt werden.«
»Darauf müssen Sie sich vorbereiten«, sagte Thandie ruhig.
Lone Elk nickte. »Dann ist die Sache klar. Wir hatten es gut hier. Aber jetzt müssen wir weg.«
Gary sah ihn an. »Weg? Die ganze Stadt?«
»Wir sind hier zu nah an der steigenden Menschenflut. Wir müssen uns ein Stück weiter strandaufwärts zurückziehen.«
Während Lone Elk mit Thandie die Einzelheiten erörterte, dachte Gary über das Gesagte nach.
Die gesamte Stadt zu verlegen, erschien ihm unmöglich. Aber es war sicher besser, als hier zu sitzen und darauf zu warten, dass die Millionen aus Dallas heraufgeklettert kamen. Das war natürlich der egoistische Gedanke eines Mannes, der einen vollen Bauch, Wasser und einen Platz zum Schlafen hatte und auf diejenigen hinabblickte, die nichts von alledem besaßen.
Gary erwog seine eigene Lage. Er musste Grace und Michael von hier wegbringen, bevor der menschliche Tsunami
über sie hereinbrach. Darauf lief es letztlich hinaus. Wenn sie jedoch allein aufbrachen, würden sie nur drei weitere zerlumpte Flüchtlinge sein. Sich Lone Elks fantastischer Migration anzuschließen klang besser. Wenn das nicht klappen sollte, würden sie sich wohl auf eigene Faust zu höher gelegenem Gelände durchschlagen müssen, nach Westen in die Rockies. Oder vielleicht sollten sie doch lieber Lily Brookes alte Einladung annehmen, in die Anden zu kommen …
Michael beobachtete ihn ernst; auch in seinem Kopf arbeitete es.
Gary wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zu.
»Sie haben schreckliche Dinge gesehen«, sagte Lone Elk gerade zu Thandie. »Völker auf der Flucht. Zerstörte Ökosysteme. Aber Sie müssen auch wunderbare Dinge gesehen haben.«
»O ja. Die ganze Welt wird transformiert, in etwas Neues verwandelt. Ich bin mit Schiffen über die nordamerikanische Transgression gefahren - ich meine, über die überfluteten Oststaaten. Die Welt kehrt zu einem ganz ähnlichen Zustand wie dem zurück, in dem sie sich in der Kreidezeit befand, bevor der Dinosaurierkillerasteroid runterkam - eine Welt flacher Meere. Aber den neuen Flachwasser-Ökosystemen wird vielleicht nicht genug Zeit bleiben, sich zu festigen, bevor auch sie wieder in den Fluten versinken. Wir wissen nicht, was als Nächstes
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