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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Gebeine!«

57
    Chosica, tausend Meter über dem alten Meeresspiegel gelegen, war früher ein Ferienort im Landesinneren für die Einwohner Limas gewesen. Der Rimac-Fluss verlief durch den Ort, doch abseits eines bewässerten Talbodens war die Landschaft eine Einöde, und die Berghänge bestanden aus nacktem, sonnengebleichtem Fels. Rings um das Herz der alten Stadt war eine krude Ansammlung von Hütten entstanden, in denen Nathans Arbeiter untergebracht waren. Auf der Suche nach der Hütte, die Kristie sich mit Ollantay teilte, gingen Lily und Sanjay durch die Siedlung, geleitet von einem Satellitennavigationsaufnäher an Lilys Overall. Es war später Nachmittag.
    Dies war bloß ein weiterer Slum in einer Welt voller Slums, in dessen primitiv zusammengeschusterten Hütten Töpfe auf dem Feuer standen, Kinder spielten, Hunde in der Hitze schliefen. Ein hartnäckiger Abwassergestank hing in der Luft. Doch über all dem ragten die Umrisse eines Schiffes auf, die schlanken Linien eines Wasserfahrzeugs von der Größe eines Ozeandampfers, überzogen vom Stachelkleid eines Gerüsts.
    »Ich glaub’s nicht«, sagte Sanjay. »Dieses Ding muss dreihundert Meter lang sein! Ich weiß, du hast das Projekt ›Arche Drei‹ genannt, aber das hätte sonst was bedeuten können -
irgendwas Metaphorisches -, eine Samenbank vielleicht, ein Tresorraum voller gefrorener Zygoten. Ich hätte nicht gedacht, dass es ein waschechtes, verdammtes Schiff sein würde. Wir sind einen Kilometer über dem alten Meeresspiegel! Wie will Nathan dieses Ding zu Wasser lassen?«
    Lily hatte keine Ahnung. »Ob das Schiff nun zum Meer befördert wird oder das Meer zum Schiff kommt, es wird ein spektakulärer Anblick sein, stimmt’s?«
    »Die Umrisse dieses Kahns erinnern mich an irgendwas. Ich bin kein Schiffbauingenieur … Vielleicht fällt’s mir wieder ein.« Sanjay holte sein altes Handy heraus und blätterte in dessen Speicher.
    »Nathan baut es in Zusammenarbeit mit einem Konsortium.«
    »Einem Konsortium woraus? Aus Leuten wie ihm?«
    »Darüber spricht er nicht. Aber ich nehme es an. Selbst die Superreichen finden keine Orte mehr, wo sie Grüne Zonen einrichten können. Deshalb suchen sie nach anderen Lösungen.«
    »Wenn das hier Nummer drei ist, muss es wohl noch mehr Archen geben.«
    »Keine Ahnung.«
    Sanjay konnte den Blick nicht von dem Schiff wenden. »Einfach unglaublich. Ein Schiff, auf halber Höhe der Anden! Der Mann muss tatsächlich verrückt sein.«
    Lilys GPS-Aufnäher piepste - sie gelangten zu Kristies und Ollantays Hütte. Amanda war offenbar schon da, denn erstaunlicherweise stand Jorge, Amandas Butler, in Anzug und Krawatte draußen vor der Tür; er wirkte völlig unberührt von dem Schmutz um ihn herum.

    Lily warf Sanjay einen Blick zu. »Das könnte ziemlich unangenehm werden.«
    »Familien«, sagte er nur und zuckte mit den Achseln.
    »Ja. Komm, bringen wir’s hinter uns.«
     
    Die Hütte war eine Schachtel, deren Wände und Dach aus Plastikplanen bestanden, vollgestopft mit Gerümpel, Kleiderhaufen, einem Bett, einem Tisch, Schränken. Es gab Abzugsöffnungen und Fenster, und ein an irgendeine Stromquelle angeschlossener Ventilator lief, aber es war furchtbar heiß. Der Teddybär, der auf einem Schrank saß, war ein kleines Andenken an eine verlorene Vergangenheit.
    Vier Personen drückten sich in die Ecken dieser winzigen Einraumhütte, so weit voneinander entfernt, wie es nur irgend ging: Piers, Amanda, Ollantay und Kristie. Amanda trug ihren schwarzen Hosenanzug, Kristie ein schmutziges, aber farbenfrohes Kleid aus gewebter Wolle. Piers und Ollantay hatten AxysCorp-Overalls übergezogen und sahen sich merkwürdig ähnlich, wie sie einander so gegenübersaßen, getrennt durch die Diagonale des Raumes. Niemand sagte etwas, als Lily und Sanjay eintraten.
    »Hallo«, begrüßte sie Lily. »Ihr erinnert euch an Sanjay McDonald, aus London?«
    Niemand antwortete.
    Sanjay schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen. Er nickte ihnen allen zu und setzte sich auf eine umgedrehte Plastikkiste in einer Ecke, wo er Bilder klassischer Schiffe in seinem Handy durchblätterte.
    »Kommt mir so vor, als wären wir mitten in einen Familienkrach geraten«, sagte Lily dann.

    »Das könnte man sagen«, bellte Amanda. »Oder in eine Lachnummer.«
    »Oh, Mum …«, begann Kristie.
    »Natürlich hast du die Pointe verpasst«, fuhr Amanda ihr ins Wort. »Warum erzählst du Lily nicht, was du mir gerade erzählt hast?«
    Kristie sah Lily

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