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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Floßes wurden sie nun noch heftiger geschüttelt, als die Flügel des Hubschraubers in die turbulente, stürmische Luft griffen.
    Die Maschine senkte die Nase, bog nordwärts ab, und Lily blickte auf das Nazca-Floß hinunter. Es war eine klapprige Insel, die sich inmitten der Dächer und überschwemmten Straßen dieser sonnengebleichten alten Kolonialstadt erhob, übersät von Hütten und Windturbinen, und auf jedem flachen Dach glänzten Regenwassereimer und -kübel. Mitten auf dem Floß hatte man auf einem Steinbett Mutterboden ausgebreitet, ein blassbrauner Klecks, aus dem eine schwimmende Farm werden würde. Fast alle Bestandteile des Floßes stammten noch aus der Zeit vor der Flut, überlegte Lily, überschüssiger, alterungsbeständiger Schrott, den man jetzt zusammengeschnürt hatte, um diese neue Heimat zu erschaffen,
die wie ein Traum über das untergehende Nazca emporstieg.
    Dann kam die Sturmflut. Hohe Wellen brandeten von Westen heran, und das Floß hob und senkte sich. Lily sah, wie Seile rissen, wie Teile der Konstruktion zersplitterten und sich voneinander lösten, wie Menschen umherrannten, um hastige Reparaturen vorzunehmen. Doch der Hubschrauber schoss nach Norden, und das Floß und die versinkende Stadt blieben hinter ihr zurück.
    Der Pilot fand ruhigere Luft, und seine Zuversicht schien zu steigen. Nach ein paar Minuten zeigte er nach unten. »Letzte Chance, das zu sehen«, rief er nach hinten.
    Lily blickte hinunter. Rund fünfundzwanzig Kilometer nördlich von Nazca flogen sie auf der Flucht vor dem Sturm über eine Ebene hinweg, die einst trocken und öde gewesen sein musste, jetzt jedoch von grauem Meerwasser überspült wurde.
    Villegas beugte sich über sie, um hinabzuschauen. »Die Nazca-Linien. Sie sind aus der Luft entdeckt worden, weißt du. Hast du sie schon einmal gesehen?«
    »Ich habe mich ein paarmal von Nathan hier oben herumfliegen lassen.«
    Dies war die Pampa, einst eine der trockensten Wüsten der Welt. Sie war ein riesiges Malbuch für die Angehörigen des uralten Volkes gewesen, das hier gelebt hatte, und ihre Kritzeleien, entstanden durch die Freilegung der helleren Erde unter der obersten Gesteinsschicht, waren durch die enorme Trockenheit bewahrt worden. Doch jetzt war nichts mehr von den seltsamen, jahrtausendealten geometrischen Zeichen im Erdboden der Hochebene zu sehen, von dem Affen,
der Spinne, der Blume und den kunstvollen Vögeln - das salzige Meerwasser hatte alles ausgelöscht.
    »Ein weiterer Schatz der Menschheit verloren«, sagte Villegas ohne jede Gefühlsregung.
    Der Hubschrauber stieg noch höher. Als Lily nach Süden und Westen zurückblickte, sah sie den vom Sturm gepeitschten Pazifik gegen die Andenausläufer branden. Doch im Norden und Osten sah sie ebenfalls Meer, eine ruhigere, stahlgraue Wasserfläche, die vom Atlantik her über den Kontinent vorgedrungen war und jetzt gegen die Berge plätscherte. Pazifik und Atlantik, beide mit einem Blick zu sehen. Und überall an den neuen Uferlinien im Osten und Westen der Berge scharten sich die Flöße zusammen, wie Geister der Städte unter dem Wasser.
    Juan Villegas lehnte sich in seinen Sitz zurück und schloss die Augen.

62
    »Ich bin zuversichtlich«, sagte Domingo Prado. Er ging vor Gary her, während Grace die Nachhut bildete. Mit der Machete in der Hand bahnte er sich den Weg durch das grüne Dämmerlicht des panamaischen Waldes. Sein Revolver steckte im Hosenbund unter dem Rucksack auf seinem Rücken.
    Domingo war um die fünfundvierzig, kaum älter als Gary. Er war ein großer, schwerer, aber dennoch gelenkiger Mann, und er durchquerte das leicht abschüssige Gelände mit langen, mühelosen Schritten. Nun ja, dachte Gary, nach so vielen Jahren auf der Straße waren sie alle bestenfalls gelenkig und schlimmstenfalls klapperdürr. Doch obwohl es erst Vormittag war, gerade einmal zehn Uhr, hatte Domingo schon den Hemdrücken, die Krempe des zerbeulten Strohhuts und sogar den Segeltuchrucksack durchgeschwitzt. Er schwitzte noch immer genauso wie damals, als Gary ihn kennengelernt hatte, Hunderte von Kilometern nördlich und etliche Jahre in der Vergangenheit.
    »Sag mir, warum du zuversichtlich bist«, rief Grace nach vorn.
    »Weil ich dieses Land kenne. Panama, die Kanalzone. Ich war früher mal Ranger im Chagres-Nationalpark. Der ist auf der kolumbianischen Seite des Kanals, östlich vom Alajuela-See.
Ihr werdet schon sehen. Sobald wir da drüben sind, werde ich euch gut führen. Die Gegend kenne

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