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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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rötliche Licht im Beobachtungsraum wurde ebenfalls schwächer.
    »Ist schwierig zu erkennen, bis man’s gezeigt bekommt«, sagte Thandie. »Und hier unten gibt es nur wenig Leben … Da. Siehst du?«
    Lily sah verstreute Lichter, die einem treibenden Spielzeug-U-Boot ähnelten; sie waren zu matt, als dass sie ihre Farben hätte ausmachen können. Dann bot sich ein spektakulärerer Anblick - eine blaue, gelb funkelnde Spirale.
    »Das ist eine Staatsqualle«, erklärte Thandie. »Eine Art Kolonie, Hunderte von Quallen an einem langen zentralen Strang. Mit diesen leuchtenden Tentakeln lockt sie ihre Beute an. Man glaubt, dass achtzig Prozent der Arten hier unten im Mittelwasser biolumineszent sind. Das Licht zieht Nahrung an …«
    »Und sicher auch Räuber?«

    »Na ja, so manche Art lockt mit ihrem Licht größere Räuber an, damit die ihre eigenen Jäger vertreiben. Jede Menge komplizierter Strategien.«
    Lily sah ein quallenähnliches Wesen, das von seinem eigenen Spektrallicht erleuchtet wurde; es schwoll an und wieder ab wie eine Rauchwolke. Es war außergewöhnlich schön.
    »Tatsächlich findet da draußen gerade ein großes Artensterben statt«, sagte Thandie. »Da die Welt wärmer wird, schrumpft das Volumen der großen Kaltströmungen von den Polen, die unter das leichtere, wärmere Wasser aus den niedrigeren Breiten absinken. Diese Verschiebung hat Sauerstoff in die Tiefen getragen und Leben genährt. Jetzt schaltet sich dieses gewaltige Förderband gerade ab. Hier unten erstickt und verhungert alles. Aber das passiert nicht zum ersten Mal. Das Fossilienarchiv zeigt, dass es vor neunzig und vor sechzig Millionen Jahren ähnliche ausgeprägte Warmzeitschübe gab. Ein solches Artensterben ist allerdings auch eine Chance …«
    Während sie stetig nach Süden fuhren, überquerten sie einen Berg namens Cheviot in Northumberland, eine alte vulkanische Erhebung, deren Gipfel einst mehr als achthundert Meter über dem Meeresspiegel gelegen hatte. Jetzt befanden sich die Steinpyramiden, die Bergsteiger auf seinem Gipfel errichtet hatten, in einer Wassertiefe von dreihundertfünfundsechzig Metern. Und über den vom Eis geformten Hängen des Berges sammelte sich Leben, ein loser Schwarm von Fischen und gelatinösen Räubern, die über dem Gipfel schwammen. Lily glaubte, einen Hai zu sehen.
    »Ein Ozeanograf würde den Cheviot als Tiefseeberg bezeichnen«, erklärte Thandie. »Meeresströmungen werden
nach oben gedrückt und müssen über den Berg hinwegfließen. Dadurch entsteht eine kreisförmige Bewegung des Wassers über dem Gipfel, eine Taylor-Zelle, wie man das nennt, und es kommt zu einem Austausch von Nährstoffen und Lebensformen. Stimuliert Fauna und Flora. Und sorgt für reiche Fischgründe.« Einer der Operatoren bestätigte, dass an der Wasseroberfläche über ihnen eine menschliche Floßgemeinschaft trieb. »Aus der Luft kann man die Topografie der versunkenen Länder noch immer anhand der Fischereiflotten erkennen, die sich über den Berggipfeln sammeln.«
    »Ein Hai über Northumberland«, staunte Lily.
    »Tja, früher mal hätte man das ungewöhnlich gefunden.«
    Die New Jersey glitt in tieferes Wasser. Vierzig oder fünfzig Kilometer südlich des Cheviot, ungefähr auf der Höhe von Newcastle, fing eine ferngesteuerte Kamera, die neben dem Boot herschwamm, einen Höhenrücken in der Landschaft ein, dessen Kamm von einer Traube bunter Schwämme gekennzeichnet war.
    Thandie stieß eine Faust in die Luft. »Ha! Ich hab’s doch gewusst. Weißt du, was das ist?«
    »Überrasch mich.«
    »Der Hadrianswall. Wir sind hier in der Nähe eines alten Römerkastells namens Housesteads. Die Landschaft ist größtenteils von kalkhaltigem Schlamm bedeckt, einem weichen, schmodderigen Sediment. Aber ein paar Arten ziehen nacktes Gestein vor. Sie suchen sich Bergrücken und Hänge, an denen der Schlamm sich nicht festsetzt. Korallen, Seelilien, spezialisierte Seesterne, Seescheiden, Haarsterne. Es
gibt ein ganzes Sammelsurium von Meeresgetier, das den Höhenzug mit dem Wall darauf kolonisiert ebenso wie die Steine der römischen Mauer selbst.« Thandies Grinsen wurde breiter. »Selbst unter diesen Umständen ist das ein erstaunlicher Anblick, nicht wahr?«
    »Angeberin.«
    Lily und Thandie legten ab und zu eine Pause ein, um etwas zu essen und zu schlafen. Aber es zog Lily immer wieder in den Beobachtungsraum, diesem rot erleuchteten, von Geheimnissen erfüllten Bienenkorb lautloser Überwachung, dessen Bildschirme

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