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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zurück.
    »Was war das, ein Seehund?«, fragte Lily.
    »Nein … Bill, kannst du uns das noch mal in Zeitlupe reinspielen?«
    Wie sich herausstellte, war es ein Kind, ein Junge, nackt bis auf ein Paar Schuhe, dessen geschmeidiger Körper am Rumpf des Bootes entlangglitt. Nicht älter als acht oder neun, drehte er sich sogar um und winkte in die Kamera.
    »So ein kleiner Frechdachs. Ein Besucher von einem Floß über uns. Fischersleute wahrscheinlich.«
    »Wow! Wie tief sind wir?«
    »Hundertfünfzig Fuß«, sagte ein Operator.

    Thandie grinste. »Das ist noch gar nichts. Die Kids folgen einem bis zu dreihundert Fuß weit runter, und ich habe Berichte über noch tiefere Tauchgänge gehört. Das passiert überall auf der Welt. Die Kinder knobeln selbstständig Atemtechniken aus und geben sie über Funknetze weiter, und sie gehen immer tiefer runter. Das ist aber ganz harmlos. Wir kriegen auch weniger willkommenen Besuch, Leute, die die Sensorpakete zu beschädigen versuchen oder sogar Haftminen am Rumpf anbringen.«
    Das Kind auf dem Standbild erinnerte Lily ein wenig an Manco, einen weiteren eifrigen Meeresschwimmer. »Die Welt war schon überflutet, bevor diese Kinder geboren worden sind. Der Ozean ist das Einzige, was sie erforschen können.«
    »Solange sie die Flossen von meinen Sensoren lassen, können sie Aquaman spielen, soviel sie wollen«, sagte Thandie streng.
     
    Lily betrachtete die Karten, als das Boot sich nach Süden wandte und der Länge nach über Großbritannien hinwegfuhr.
    »Wir umrunden die Highlands im Osten, überqueren den Firth of Forth über Edinburgh und fahren dann die Ostseite des Landes hinunter, über die Lammermuir Hills hinweg«, erklärte Thandie. »Selbst die Lammermuirs werden etliche Hundert Meter tief unter dem Bug liegen. Es besteht nirgends Kollisionsgefahr. Über den Cheviot Hills überqueren wir dann die Grenze zu England. Diese Reise hat einen bestimmten Zweck, Lily. Wir überprüfen die Topografiedes Landes und studieren, wie sie sich angesichts der auf ihr liegenden Wassermasse wandelt. Und wir verzeichnen die Erdbeben
und Erdrutsche infolge der veränderten isostatischen Belastung. Das ist ein Bestandteil eines globalen Porträts, das uns hoffentlich helfen wird, künftige Beben und damit Tsunamis vorherzusagen.«
    Das Boot sank tiefer, und das schimmernde Licht von oben schwand, die Kathedralenpfeiler trübten sich. Irgendwo in einer Tiefe von über zweihundert Metern flammten schließlich am Rumpf des Bootes angebrachte Außenlampen auf und fingen eine spärliche Ansammlung von Lebewesen ein; Lily sah Fische, Quallen und Aale. Sie konnte nicht glauben, dass sie praktisch im Himmel über Südschottland hing, in einem U-Boot flog, umgeben von diesen sich windenden Kreaturen.
    »Das ist das Mittelwasser«, sagte Thandie leise. »Hier unten gibt’s kein Sonnenlicht. Fotosynthese ist unmöglich. Deshalb gibt es hier auch keine Pflanzen, sondern nur Tiere und Bakterien. Und ohne Primärproduktion haben diese Geschöpfe nichts zu fressen als einander. Sie haben alle möglichen Strategien entwickelt, um Räubern zu entkommen - Unsichtbarkeit zum Beispiel. Das Wasser ist voller gelatinöser Geschöpfe, es gibt sogar einen unsichtbaren Oktopus … Hey, schau dir das an.« Sie zeigte auf einen unansehnlichen Fisch. »Das ist ein Borstenmäuler. Er gilt als der verbreitetste Vertebrat der Welt - das am häufigsten vorkommende Tier mit einer Wirbelsäule.«
    »Wirklich?«
    »Und du hast noch nie von ihm gehört, stimmt’s? Im Meer war schon immer ordentlich was los, Lily. Wahrscheinlich gibt’s da draußen ganze Arten von unentdecktem Leben. Erst in den 1970er-Jahren haben wir sogenannte ›black
smoker‹ - Schwarze Raucher - gefunden, vom Sonnenlicht komplett unabhängige Biosphären, und erst in den Achtzigern haben wir Methan-Sickerstellen und weitere chemosynthetische Gemeinschaften entdeckt. Wer weiß, was es da noch so alles geben mag. Wir werden es jedenfalls nie erfahren, so viel steht fest. Meine Generation ist wahrscheinlich die letzte, die das Privileg genießt, auf diese Weise wissenschaftliche Forschung betreiben zu können. Unsere Kinder und Enkelkinder werden wieder Quallenarten zählen.« Thandie lachte, ein leerer Laut. »Hey, Bill, machst du mal die Lichter aus? Dann können wir die Biolumineszenz sehen.«
    »Klar.«
    Der Operator tippte auf der Tastatur herum, und die Bilder auf den Schirmen wurden erst schwarz und hellten sich dann zu Grau auf. Das

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